Deutschland bezahlt Frauen schlecht

Internationale Konferenz: Im EU-Vergleich klaffen Frauen- und Männergehälter am weitesten auseinander. Gleichwertige Arbeit wird hier ungleich bezahlt, weil die Belastung von „Frauenjobs“ falsch eingeschätzt wird. Das ist per EU-Recht verboten

von HEIDE OESTREICH

„Berlin ist eine schöne Stadt – aber tauschen möchte ich mit Ihnen hier in Deutschland nicht.“ Klare Worte von der Niederländerin Janny Dierx am Ende einer tatsächlich schwierigen Konferenz. Zwei Tage lang tagten in Berlin Experten aus aller Welt, um zu klären, wie Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen herzustellen ist. Welten trafen aufeinander.

Kanada hat sich bereits 1987 einen „Equal Pay Act“ gegeben. In Schweden wacht ein „Ombudsman“ darüber, dass Frauen bei der Entlohnung nicht diskriminiert werden, in den Niederlanden eine Kommission. In Deutschland dagegen existiert gar keine Lohndiskriminierung, finden sowohl öffentliche wie auch private Arbeitgeber. Hurra!

Leider sind namhafte Experten anderer Meinung. Leider ist auch die EU-Kommission anderer Meinung und hat Deutschland ob seiner Untätigkeit bereits gerügt. Und komischerweise hat Deutschland mit einer Differenz von 15 Prozent EU-weit die größte Lücke zwischen Männer- und Fraueneinkommen. Die rührt nur teilweise daher, dass Frauen öfter Teilzeit arbeiten, weniger hohe Posten besetzen und auf weniger Lebensarbeitszeit kommen. Knapp die Hälfte dieser Differenz, so haben es andere Länder ausgerechnet, kommt durch Lohndiskriminierung zustande.

Es geht nicht darum, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld bekämen, diese Zeiten sind sogar hier vorbei. In Kanada aber weiß dank Plakatkampagnen jedes Kind, dass Krankenschwestern nicht weniger verdienen sollten als Busfahrer. Gleichwertige Arbeit muss ebenfalls gleich bezahlt werden, darum geht es bei mittelbarer oder indirekter Diskriminierung. Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, werden aber oft unterbewertet, obwohl vielleicht Ausbildungszeiten ähnlich und die Belastungen nicht geringer sind. Das ist schon seit 27 Jahren per EU-Richtlinie verboten.

Verschiedene Länder reagierten darauf: In den Niederlanden etwa hat der Unternehmerverband (!) eine umfangreiche Checkliste entwickelt, nach der Unternehmen ihre Bewertungskriterien überprüfen können. In Großbritannien wurden sämtliche kommunalen Tarifverträge überarbeitet, nachdem Frauen immer mehr Lohnklagen gewannen. In den meisten Tarifverträgen werden die Jobs nicht in allen Anforderungen einzeln erfasst, sondern summarisch bewertet. Das aber öffnet Tür und Tor dafür, bei Frauentätigkeiten bestimmte Belastungen gar nicht wahrzunehmen. Die BritInnen prüften also, ebenso wie die SchwedInnen, ihre Tarifverträge mit einem neuen, analytischen Bewertungssystem. Heraus kam, dass die pflegenden Berufe zu niedrig eingestuft waren.

Und in Deutschland, Insel der Seligen? Stellt der Einkommensbericht der Bundesregierung fest, dass die deutschen Tarifverträge ebenfalls gegen EU-Recht verstoßen. Auch hier wird die Summarik verwendet, die einen Vergleich von Frauen- und Männerberufen nicht zulässt, weil die Bewertung nicht transparent ist. Auch untransparente Verfahren sind übrigens verboten.

Doch die privaten Arbeitgeber finden, es gebe keine Diskriminierung. Der Vertreter der öffentlichen Arbeitgeber, Hans-Bernhard Beus vom Innenministerium, meinte, eine Stelle, die über „Equal Pay“ wache, bedeute zu viel Bürokratie. Und wer denke denn an die Kosten, wenn man Frauenarbeit höher bewerte? Es habe ja bereits Klagen gegeben, die zu „schmerzhaften“ Kosten geführt hätten. Da platzte einer Teilnehmerin aus dem Publikum der Kragen: Wie schmerzhaft, meinte er wohl, fänden es Millionen von unterbezahlten Frauen in Deutschland, wenn sie mit ihrer schmalen Rente zum Sozialamt müssten?

Janny Diercks von der holländischen Gleichbehandlungskommission, die über „Equal Pay“ in Holland wacht, konstatierte schlicht, die Debatte hier werde auf eine „tödliche Art“ geführt. Dagegen helfe nur eines: „Gehen Sie zum Gericht!“