Prinzenbad ohne Prinzen

Dem Mallorca der Kreuzberger bleiben die Badegäste weg, da die Eintrittspreise nicht mehr bezahlbar seien. Die Verantwortlichen merken nichts davon, die grünen Wahlkämpfer schon

von WALTRAUD SCHWAB

Die Schwimmbäder sind leer geworden. Zu teuer der Eintritt. Noch immer rechnen die Badegäste in der alten Währung, und „Acht Mark!“, das verdirbt ihnen das Vergnügen gewaltig, wie am schrillen Tonfall zu hören ist. Die Stimmung ist schlecht, sagt Horst Schwabe, Badebetriebsleiter im Strandbad Wannsee. Es gebe Beschwerden ohne Ende und Unzufriedenheit. Er wagt es, dies auszusprechen.

Die Bademeister vom Prinzenbad dürfen hingegen die Situation nicht kommentieren. Ein Maulkorb wurde von den Berliner Bäder-Betrieben (BBB) verhängt. Denn vor den Toren des beliebtesten Freibades der Stadt haben Bündnis 90/Die Grünen einen Stand aufgemacht. Dort verkaufen sie die Eintrittskarten zum alten Preis. 3 Euro Standard, 2 Euro ermäßigt. Die Differenz zahlt die Parteikasse.

Die Aktion kommt gut an. Die Grünen, in so einem Moment fast wieder „Alternative Liste“ von früher, treffen den Nerv der spärlich eintrudelnden Badewilligen. Keiner, der die Preispolitik der BBB nicht scharf kritisiert. Von „Skandal“ ist die Rede, von „Mafia“ und „Bananenrepublik“. Niemand ist da, der solche Bedenken ausräumen wollte. „Mit Steuergeldern an der Bevölkerung vorbeiwirtschaften, das geht nur im Berliner Sumpf“, schimpft einer. Aus Gesundheitsgründen muss er viel schwimmen. Jetzt fährt er öfter an die Seen und geht „von der Seite aus rein“. Er bedauert, dass er so die Ufer zerstört.

Das Prinzenbad war das Mallorca der Kreuzberger. An heißen Tagen wurden bis zu 10.000 Leuten gezählt. Arbeitslose und Erbschleicher, Borderliner und Alleinerziehende. Sonnenhungrige, Voyeure und Glaubensbrüder. Es kamen Kinder mit schwarzen Augen und jene mit dem traurigen Blick. „Das Bad mitten im ärmsten Bezirk der Stadt hat eine soziale Funktion, aber auch aus gesundheitlichen, hygienischen und befriedenden Gesichtspunkten ist es von Bedeutung“, sagt Barbara Oesterheld von B90/Grüne.

Milieustudien konnte man hier machen, Kreuzberg durch bloßes Hinschauen verstehen. Das ist passé. Jetzt können Familien beobachtet werden, die nach dem Blick auf die Preisliste umkehren, oder Mütter, die ihre Kinder ins Bad schicken und draußen warten, um die 4 Euro fürs eigene Ticket zu sparen.

In einem ausgelegten Protestbuch liest sich das so: „Früher haben wir im Prinzenbad Urlaub gemacht. Das geht nicht mehr.“ „Macht sich ein leeres Bad eher bezahlt?“ „Die Verantwortlichen baden in ihren Swimmingpools – das Volk … im Landwehrkanal!“ „Danke SPD/PDS. Endlich wird nicht mehr geklaut!“ (per E-Mail abrufbar über Schwimmen-in-Berlin@gmx.de)

Die BBB haben von der ganzen Misere angeblich noch nichts mitbekommen. Sie könnten keine massiven Beschwerden feststellen und wegen eines Besucherrückgangs hätten sie keine Rückmeldung, lassen sie ihren Pressesprecher Manfred Radermacher sagen.

Franz Schulz, Stadtrat von B90/Grüne in Kreuzberg, der im Aufsichtsrat der BBB als Bezirksvertreter sitzt, bei der entscheidenden Abstimmung über die Tarife aber nicht anwesend war, meint, dass dieses Jahr hinsichtlich einer Tarifänderung nichts mehr zu machen sei. Das sei eine rein kaufmännische Herangehensweise. Wenn sich höhere Preise trotz geringerer Besucherzahl rechneten, gehe das kaufmännische Konzept auf. Derweil fordern seine Parteikollegen pressewirksam und mit Blick auf die Wahl die Rücknahme der Tariferhöhungen. Denn es stimme mitnichten, dass der Eintritt in anderen Städten höher sei, wird argumentiert. Am Ende der Aktion haben die Grünen am Stand etwa 100 Karten verkauft.

„Ein Volkssport ist zum Luxus geworden“, sagt eine 75-Jährige, die fit bleiben will und die Aktion gut findet. Sofort erzählt sie von Trümmern und wie Frauen wie sie nach dem Krieg alles wiederaufgebaut haben. „Als Dank ein Schlag ins Gesicht.“