Pille gelungen, Patient tot

Aidskonferenz vor Abschluss: Trotz neuer Medikamente steigt die Zahl der Erkrankten. UNO verlangt einfachere Therapie, Pharmaindustrie entwickelt bessere, aber zugleich teurere Mittel

BERLIN taz ■ Die 14. Welt-Aids-Konferenz in Barcelona geht heute mit Appellen unter anderem von Bill Clinton und Nelson Mandela für mehr internationale Anstrengungen zum Kampf gegen die Aidsepidemie zu Ende. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie möglichst vielen der weltweit 40 Millionen Träger des HI-Virus der Zugang zu Aidsmedikamenten erleichtert werden kann. In den Entwicklungsländern werden derzeit nur 230.000 Menschen – zwei bis drei Prozent aller Fälle – therapiert. Im Afrika südlich der Sahara mit seinen 28,5 Millionen Infizierten sind es gerade 30.000.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat nun angekündigt, die Zahl der behandelten Menschen bis 2005 auf drei Millionen mehr als zu verzehnfachen. Neue Behandlungsrichtlinien mit weniger komplizierten Medikamentenregimes und einer vereinfachten Therapieüberwachung sollen, so die UN, den verstärkten Einsatz der lebensrettenden Arzneien auch in solchen Ländern ermöglichen, die keine hoch entwickelte Labortechnik und keine modern ausgerüsteten Krankenhäuser zur Verfügung haben.

In den reichen Industrienationen dürfen sich die Infizierten und Kranken derweil auf weitere Fortschritte bei der medizinischen Forschung freuen. Es wird eine neue Medikamentenklasse entwickelt: die so genannten Fusionsinhibitoren, die das Eindringen des Virus in die Wirtszelle verhindern sollen. Doch die neue Waffe gegen Aids, von der sich Mediziner Großes erhoffen, ist schwer anzuwenden, weil sie zweimal täglich injiziert werden muss. Sie wird auch teurer als alle bisherigen 14 antiviralen Medikamente, die ebenfalls schon in den meisten Ländern der Welt unbezahlbar erscheinen. Bei den „alten“ Aidsmedikamenten der „Protease-Hemmer“ und „Reverse-Transkriptase-Hemmer“ hat die Pharmaindustrie ebenfalls Weiterentwicklungen vorgestellt, die eine bessere Verträglichkeit versprechen. Die Langzeitfolgen der antiviralen Mittel werden nämlich immer dramatischer mit häufiger beobachteten Herzattacken als Nebenwirkung.

Nicht nur die Preispolitik der Pharmakonzerne bleibt umstritten. Auch die Ausrichtung der Therapieforschung wurde in Barcelona moniert. So kritisiert die Deutsche Aidshilfe, dass das Ziel der vollständigen Heilung völlig aus dem Blick der Forscher und Pharmafirmen geraten sei. Zudem fehle es in der Forschung an einer vernünftigen Koordination und strategischen Planung. Die Kompetenz der vielen tausend Wissenschaftler werde nicht einmal annähernd genutzt.DOMINIC JOHNSON

MANFRED KRIENER

brennpunkt SEITE 4