Hier werden Sie bald nicht mehr geholfen

Call Center-City in der Krise: Nach Netcenter macht auch Telegate zu. Statt Abfindung sollte es für die Angestellten zunächst nur eine „Psycho-Hotline“ geben / Krach um Subventionen

„Hier werden Sie geholfen“, wirbt Verona Feldbusch – ab 30. September hilft niemand mehr aus den Telegate-Büros in Walle. Alle 90 Arbeitsplätze im Bremer Call Center, in dem im vergangenen Jahr noch 200 „Agents“ arbeiteten, werden abgebaut. „Das Call Center-Sterben in Bremen geht weiter“, sagte Kornelia Knieper von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Am Donnerstag hatte bereits die Netcenter AG Konkurs angemeldet (die taz berichtete). Anfang des Jahres beschäftigte sie noch 120 Mitarbeiter.

Der Münchner Firma Telegate droht wegen ihres Rückzugs Ungemach aus Bremen: Die SPD fordert bereits in einer kleinen Anfrage an den Senat die Rückgabe der Telegate-Subventionen. Es soll sich um mehrere Hunderttausend Euro handeln, die Telegate vor vier Jahren für das Schaffender Jobs kassiert hatte. SPD-Wirtschaftsexpertin Eva-Maria Lemke-Schulte: „Wenn die denken, sie können in Bremen und in Mecklenburg-Vorpommern Fördermittel für dieselben Jobs kassieren, können sie sich warm anziehen.“

Wegen „Überkapazitäten“ werde die Auslandsauskunft, die derzeit in Bremen abgewickelt wird, nach Wismar „verlegt“, bedauert Telegate-Sprecherin Anja Meyer. Und: „Alle Subventionen, die wir zurückzahlen müssen, zahlen wir zurück.“ Derzeit werde mit Bremen verhandelt.

Lutz Ruminski, Sprecher der zuständigen Bremer Investitionsgesellschaft, droht: „Wenn nicht alles zurückkommt, geht das seinen Rechtsweg.“

Bereits vor dem Kadi gelandet ist Telegate wegen des Sozialplans für die Mitarbeiter. Für den weitaus größten Teil der Beschäftigten dürfte die „Verlegung“ des Standorts an die Ostsee nämlich heißen, dass sie gefeuert werden.

Nicht nur, dass Wismar vielen Bremern zu weit sein dürfte – die Telegate-Verträge in der strukturschwachen Region bieten auch keinen Kündigungsschutz mehr. Und 20 Prozent weniger Gehalt: gut 900 Euro brutto bei einer 30 Stunden-Woche. Betriebsrat Marc Nowak ist stinksauer: „Das ist ein Pseudo-Angebot. Keiner rechnet doch ernsthaft damit, dass wir wechseln.“

Deswegen wird erbittert um den Sozialplan gekämpft: Zunächst boten die Münchner keine Abfindung, dafür eine „Psycho-Hotline“ für die Entlassenen. „Sie bekommen von uns jede erdenkliche Unterstützung, wieder einen Job zu finden“, sagt Telegate-Frau Meyer. Die Gewerkschafterin Knieper findet das Angebot hingegen „zynisch“.

Inzwischen legte Telegate „drauf“ und bietet „eine knapp sechsstellige Summe“ an. Auch das ist den Telegatern viel zu wenig. 350.000 Euro müssten es schon sein. „Die Leute werden mit einem Butterbrot abgespeist“, sagt Verdianerin Knieper.

Gewerkschaft und Betriebsrat (beide Bremen) argwöhnen indes Böses – nämlich, dass Gesamtbetriebsrat und Firmenleitung (beide München) sich unter der Hand auf möglichst geringe Auszahlungeneinigen wollen. Deshalb will sich der Bremer Betriebsrat jetzt das Recht erstreiten, den Sozialplan selbst mit den Bossen aushecken zu dürfen. Nach dem Arbeitsgericht steht der Fall jetzt vor dem Landesarbeitsgericht. Bis zum Bundesgericht soll es notfalls gehen. Denn, so Knieper: „Der Sieg würde einen Präzedenzfall für Deutschland schaffen.“

Der Telegate-Rückzug ist trotz aller Querelen ein schwerer Schlag für die „Call Center-City“ Bremen. Einst kamen die Firmen nicht nur an die Weser, weil das Lohnniveau niedrig ist. Sondern auch, weil die Angestellten hier hochdeutsch sprechen. Das zählt jetzt offensichtlich nicht mehr.

In den letzten Monaten haben fünf Firmen mit mehreren hundert Angestellten dicht gemacht. Derzeit sind noch 2.500 Angestellte in der Branche beschäftigt. Um seinen Ruf als Tele-Standort zu festigen, hat Bremen seit 1996 Call Center mit sieben Millionen Euro gefördert.

Kai Schöneberg