Globales Experimental-Roadmovie

Neu im Kino: „The Goddess of 1967“ von Clara Law. Ein Loblied auf den Citroen DS, die französische Luxuskarosse

Die Göttin im Filmtitel ist ein Auto. Dem Citroen DS wird hier ein Loblied gesungen, der legendären französischen Luxuskarosse, von der Roland Barthes 1955 schrieb, sie sei „offenkundig vom Himmel gefallen“, und von der der japanische Held des Films (Rikiya Kurokawa) schwärmt, in ihr würde man nicht fahren sondern fliegen.

Ein wunderschönes, rosafarbenes Exemplar dieses Kultobjektes hat er per Internet-Recherche in den australischen Outbacks gefunden, doch dort angekommen erfährt er, dass sich die potentiellen Verkäufer so über das von ihm erhoffte Geld gestritten haben, dass von ihnen nur noch Kreidespuren auf dem Fußboden und Blutflecken an den Wänden übrig sind.

Und ein blindes, rothaariges Mädchen (Rose Byrne), das sich als die eigentliche Besitzerin des Citroen entpuppt und den jungen Japaner zu einer Reise durch die australische Urlandschaft überredet. So könnte man „The Goddess of 1967“ also als Roadmovie bezeichnen. Alle Bestandteile sind da: ein Gefährt, zwei sich völlig fremde und extrem konträre Gefährten (die sich langsam zusammenraufen müssen), eine weite, wilde Landschaft und ein mysteriöses Ziel als Fluchtpunkt, in dem sich alle Erzählstränge treffen. Aber „The Goddess of 1967“ sieht nun überhaupt nicht wie ein Genreproduk, sondern eher wie ein Experimentalfilm aus. Alle Landschaftsaufnahmen sind farblich verfremdet; wenn man die beiden im Auto fahren sieht, dann er erkennt man sofort, dass die Aufnahmen im Studio mit verfremdeten Rückprojektionen gemacht wurden, und die einzelnen Sequenzen wirken wie Tableaus, die eher den Stillstand als die Bewegung feiern. Dafür springt der Film aber munter zwischen den verschiedensten Formen hin und her. Zum Teil ist er tatächlich ein Loblied auf den Citroen DS mit Ausschnitten aus Werbefilmen, Fakten und Anekdoten, ja sogar einer Trickfilmsequenz mit dem Blick der „Göttin“ aus dem Weltall auf die Erde. Dann gibt es drei Rückblenden, in denen wie in Alptraumbildern von der Familientragödie des blinden Mädchens erzählt wird, die, wie schon ihre Mutter, von ihrem Großvater missbraucht wurde. Und schließlich gibt es die Sequenzen von der Reise des Paares, die auch extrem stilisiert wirken. Die Regisseurin Clara Law macht es dem Publikum nicht eben leicht, sich in ihrem Film zurechtzufinden. Aber man ist vom ersten Bild an fasziniert von dieser seltsamen, somnambulen Phantasmagorie. In ihrer radikalen Künstlichkeit hat sie eine ganz eigene Poesie. So gelingt es Law etwa, die Essenz eines Bildes von Edward Hopper in einer Barszene im tiefsten australischen Hinterland zu finden. Und bei aller Verfremdung erzählt sie dann doch auch eine schöne Liebesgeschichte, deren anrührender Höhepunkt eine Sequenz ist, in der der Japaner dem blinden Mädchen das Tanzen beibringt, und für diesen Tanz alleine schon hat Rosie Byrne ihren Preis für die beste Schauspielerin in Venedig 2000 verdient. „Wie ist es in Tokio?“, fragt sie den Japaner einmal. „Wie auf dem Mars“, antwortet er (übrigens in einem sehr holperigen Englisch, das den Film noch fremdartiger wirken lässt). “Dem Planeten?“ „Nein, dem Schokoriegel!“ Clara Law ist eine hongkong-chinesische Regisseurin, die mit einem Japaner und einem französischen Auto in Australien einen Film gemacht hat, und der sieht aus wie vom Mars!

Wilfried Hippen

“The Goddess of 1967“ läuft täglich bis Dienstag um 20 Uhr im Kino 46 in der Originalfassung mit Untertiteln.