Die Freischwimmer auf dem Trockenen

Erneut fordern Demonstranten vor dem Kreuzberger Prinzenbad die Rücknahme der Eintrittspreiserhöhungen. Vorstand der Bäderbetriebe äußert vor Ort zwar Verständnis. Eine Preissenkung sei aber nicht finanzierbar

An einer Seite des Prinzenbad-Vorplatzes, dort, wo zwei Dutzend Polizisten stehen und eine schmale Unterbrechung des Absperrbandes zahlwilligen Besuchern Einlass gewähren, ist ein Werbeschild angebracht. Darauf steht: Sport tut Deutschland gut. Superman höchstpersönlich hält drei quietschvergnügte Kids in seinen kräftigen Armen. Dazu der Ausspruch: „Kinder stark machen gegen Sucht und Drogen“.

Wenige Meter weiter, hinter einem Zaun mit Stacheldraht, könnte genau dieser Leitspruch in die Tat umgesetzt werden: in den drei Schwimmbecken des Kreuzberger Prinzenbades finden Kinder und Erwachsene Abwechslung vom Alltag.

Doch viele Bewohner des sozialen Brennpunktes Kreuzberg gehen diesen Sommer weniger oder überhaupt nicht mehr ins so genannte Freibad. Schuld daran sind die erhöhten Eintrittspreise. Die Tageskarte kostet seit Saisonbeginn 4 statt 3 Euro, ermäßigt 2,50 statt 2 Euro – prozentual ausgedrückt ein Anstieg von 33 und 25 Prozent. Ein Preiswucher, der selbst in Teuro-Zeiten seinesgleichen sucht.

Die Initiative „Berlin geht baden“ rief daher am Samstag bereits zur zweiten Protestkundgebung gegen die Bäder-Politik auf. Doch nur etwa 100 zahlungsunwillige Badefans sind gekommen. Vor einem Monat waren es doppelt so viele – damals war die Situation eskaliert, die Provokationen der teils autonomen Demonstranten hatte vor allem der private Schwimmbad-Sicherheitsdienst mit offener Aggression beantwortet.

Soweit kommt es diesmal nicht: mag die Polizeiübermacht von sechs vollbesetzten Mannschaftswagen den wenigen Demonstranten schlicht den Mut genommen haben oder mag es, wie der Polizeieinsatzleiter erklärt, die Zurücknahme des Security-Dienstes hinter den Schwimmbadzaun und „die gute Kooperation mit dem Veranstalter“ gewesen sein.

Mitorganisatorin Angelika Gödde spricht die Protestworte: „Unsere Lebensverhältnisse werden ausgetrocknet“ und: „Wenn Berlin baden geht, werden wir alle zu Freischwimmern“, heizt sie die knappe Hundertschaft Demonstranten ein. Sie fordert sozialverträgliche Eintrittspreise und die Wiedereinführung der Saisonkarten. Eine Kreuzberger Lehrerin erklärt: „Ich weiß, was Armut bedeutet. Meine Schüler haben das Eintrittsgeld nicht. Wenn Sport nur noch für die ist, die es bezahlen können, was machen dann die anderen?“

Klaus Lipinsky und Michael Schenk vom Vorstand der Berliner Bädebetriebe stellen sich zumindest der Presse – dann verschwinden sie rasch im Prinzenbad, „um unseren Mitarbeitern den Rücken zu stärken“ (Lipinsky). Sie lassen Zahlen sprechen: Jeder der 8,5 Millionen Badegäste 2001 brachte im Schnitt 2,01 Euro, kostete jedoch 7,78 Euro – eine Differenz von 5,77 Euro, die bisher vom Senatszuschuss ausgeglichen wird. Doch gerade diese Geldquelle werde jedes Jahr um 2 Millionen Euro reduziert: derzeit seien es 37 Millionen Euro per annum, 2005 nur noch 31 Millionen.

Lipinsky und Schenk äußern Verständnis für den Protest, weisen jedoch auf ihre eigene Zwangslage hin: „Es wird keine Preissenkungen geben, weil sie nicht finanzierbar sind“, erklärt Schenk. Einen Besucherrückgang dementiert er: „Wir sind im Vorjahresvergleich bei plus minus null“, so Schenk.

Erst am Ende der Demo überspringen Aktivisten der Gruppe FELS (Für eine linke Strömung) die Polizeibarrikaden. Bezeichnend, dass sie es nicht einmal bis zum Eingang schaffen. Die Schwimmbecken selbst bleiben hinter Stacheldraht und grimmigen Sicherheitsmännern weit entfernt, wie in einer anderen Welt. Ein Zustand, der andauern könnte für die sozial schwache Kreuzberger und Berliner Bevölkerung. WOLF VON DEWITZ