„Endlich Erwerbslose fragen“

Gewerkschafter Hans-Dieter Hey kritisiert das Verhalten der Gewerkschaftsfunktionäre

taz: Herr Hey, die Hartz-Kommission will mehr Erwerbslose in Arbeit bringen. Stimmt Sie das optimistisch?

Hans-Dieter Hey: Die Erwerbslosen können weder von Schröder noch von Stoiber etwas erwarten. Seit einer Generation wird viel versprochen und nichts gehalten.

Wieso gelingt es 4 Millionen Arbeitslosen nicht, den Druck auf die Politik zu erhöhen?

Die Erwerbslosen haben keine Lobby. In der Hartz-Kommission sitzt kein einziger Sozialverband. Bei Ver.di wurden auf allen unteren Ebenen Beschlüsse gefasst, zum Ausstieg aus dem Bündnis für Arbeit, zur Ablehnung des Hartz-Modells und so weiter. Keiner dieser Beschlüsse ist zu den Gewerkschaftsfunktionären durchgedrungen. Das wird alles vorher politisch platt gemacht.

Laufen die Gewerkschaften nur der SPD hinterher?

Ich sehe eine verhängnisvolle Allianz zwischen Gewerkschaften und SPD. Und ich sehe sehr deutlich, dass viele Mitglieder den Gewerkschaften weglaufen, weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen. Insbesondere wenn man sieht, wie sich die Gewerkschaften in der Hartz-Kommission zu dem Thema Erwerbslosigkeit verhalten.

Immerhin haben es die Gewerkschaften geschafft, die Kürzung der Arbeitslosenhilfe vom Tisch zu bringen. Ist das kein Erfolg?

Das mag oberflächlich betrachtet so sein. Aber es werden Sanktionsmechanismen in Gang gesetzt, die aus dem Mittelalter stammen könnten. Die Erwerbslosen werden in Hungerlöhne zu 2,50 Euro gezwungen, wenn sie Arbeit bekommen. Sie werden in Jobs gezwungen, für die sie keine Qualifikation haben. Und wenn sie diese Zwangsjobs bei einer Kürzung der Bezüge um 30 bis 50 Prozent nicht annehmen, werden sie aus der Sicherung geworfen.

Wäre es nicht immer noch besser, gering beschäftigt zu sein als arbeitslos, wenn ein gewisser Lebensstandard garantiert bliebe?

Die Billigjobs der Hartz-Kommission sehen 500 Euro vor. Damit kommt selbst ohne Familie kein Mensch über die Runden. Es kann nicht sein, dass Druck auf die ausgeübt wird, die am wenigsten dafür können.

Welche Kursänderung würden Sie den Gewerkschaften empfehlen?

Sie sollen sich endlich mit den Erwerbslosen an einen Tisch setzen! Die werden völlig ignoriert. Es wird langsam Zeit, dass die Gewerkschaften die Erwerbslosen wahrnehmen, die ja schließlich immer mehr werden.

INTERVIEW: S. SEDLMAYR