Klimadeal fürs Ökogewissen

Die deutsche Delegation zum Johannesburger UN-Gipfel kompensiert ihre durch die Teilnahme bedingten Umweltschulden, indem sie in Südafrika in Energiesparmaßnahmen investiert. Der Klimaschutz ist offiziell kein Thema auf dem Treffen

aus Johannesburg B. PÖTTER

Die deutsche Delegation kommt mit einem ruhigen Klimagewissen nach Johannesburg. Denn für den UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung hat das Bundesumweltministerium eine Maßnahme der ökologischen Wiedergutmachung ausgetüftelt. Die Emissionen, die die 180 Teilnehmer der deutschen Delegation durch den Flug ins südliche Afrika, über den Transport und ihren Konsum vor Ort verursachen, werden kompensiert und in Südafrika in Maßnahmen zum Energiesparen umgesetzt.

Die Klimaschützer im Umweltministerium haben errechnet, dass jeder deutsche Teilnehmer für die Dienstreise nach Johannesburg etwas mehr als sieben Tonnen Treibhausgase, vor allem Kohlendioxid, in die Luft bläst. Um diese Belastung auszugleichen, so Klimaexperte Franz-Josef Schafhausen, „haben wir für etwa 1.200 Tonnen CO2-Emissionsrechte gekauft, die Tonne zu etwa 8 US-Dollar“.

Die Rechte werden dann in Südafrika „stillgelegt“. Für die etwa 10.000 US-Dollar werden bei Neubauten in den Townships bei Johannesburg die Häuser mit besserer Wärmedämmung und Energiesparlampen ausgestattet. Überwacht wird das Vorhaben von einer südafrikanischen Universität.

Der Klimadeal lohnt sich vor allem politisch. Die deutsche Delegation will ihre Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz demonstrieren. Schließlich sind die deutschen CO2-Emissionen nach Angaben der Entwicklungsorganisation Germanwatch im ersten Halbjahr 2002 um 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken – dem milden Wetter und der flauen Konjunktur sei Dank. Außerdem soll die Aktion ein Zeichen an die Entwicklungsländer sein, dass Deutschland seine Verpflichtungen zu Entwicklung und Umweltschutz ernst nimmt. Der Vorwurf der Südländer, der Norden breche seine Versprechen, ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer Einigung.

Der gesamte Gipfel wird nach Berechnungen des Klimabündnisses Johannesburg Climate Legacy zwischen 290.000 und 350.000 Tonnen CO2 produzieren – so viel wie eine deutsche Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern im ganzen Jahr. 94 Prozent der Belastung stammt von den Flügen. Um diese Ökoschuld der Ökoaktivisten zu minimieren, verkauft die Initiative auf dem Gipfel Zertifikate: Für 10 bis 15 Dollar können sich Gipfelbesucher von ihrem schlechten Gewissen freikaufen. Unternehmen können zwischen 1.000 und 100.000 Dollar investieren. Das Geld soll in Projekte fließen, die in Johannesburg und Umgebung Solarenergie fördern, Biogasanlagen bauen oder die Energieeffizienz verbessern. Ein Umlenken auf mehr erneuerbare Energien soll Geld sparen, Jobs schaffen, Wissen über neue Techniken vermitteln, die Belastung der Menschen durch Luftverschmutzung verringern und die Wälder sichern, die zur Gewinnung von Brennholz geplündert werden.

Ein „Klimagipfel“, wie ab und zu auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das UN-Treffen nennt, ist Johannesburg trotzdem nicht. Im Gegenteil: Das Thema Klimawandel ist das einzige der großen Umweltprobleme, das nicht auf der Tagesordnung steht.