Der Schwan im Löwen

Peter Schreier und András Schiff auf dem Musikfest: Schubert vom Feinsten

Kammermusik ist großartig. Auch, wenn sie in Räumen stattfindet, die weniger von Intimität als durch beeindruckende Pracht geprägt sind – wie die Bremer Rathaushalle und der Theatersaal des Oldenburger Schlosses. Dort waren Peter Schreier und András Schiff mit zwei Schubert-Abenden (im Rahmen des Musikfestes) zu hören. In Oldenburg gab‘s die „Winterreise“, in Bremen Schuberts „Schwanengesang“.

Natürlich war es kein ganz junger Schwan mehr, dem Peter Schreier seine Stimme lieh. Der Sachse gleicht – äußerlich – eher einem ergrauten Löwen. Seine Stimme aber hat eine Elastizität und Leichtigkeit, über die man nur staunen kann. So einer kann auch mit 67 noch von „säuselnden Lüften, wehend so mild“ beziehungsweise „blumigen Düften atmend erfüllt“ singen, ohne befremdlich zu wirken.

Immer noch ist die Höhe für ihn ein Zuhause, in dem er sich hörbar wohl fühlt, immer noch ist der Mozartversierte für einen kleinen Triller hier und einen charmanten Praller dort zu haben: Eine Stimme, der auch die dünne Luft im immer noch halb eingehüllten Rathaussaal nichts von ihrer raumgreifenden Schwingung nehmen konnte.

Natürlich ist die Stimme altersmilder geworden. Der schmetternde Evangelist (unverzichtbarer Gegenpart der Trompeten im Bach‘schen Weihnachts-Oratorium), als der Schreier stilbildend war, ist zu einem lyrisch plaudernden älteren Herrn geworden – der für die dramatischen Teile der Liederzyklen freilich noch jede gewünschte Menge an dräuendem Crescendo aufbringt.

Kammermusik ist großartig. Transparent, unaufwändig und in der Wirkung trotzdem oft intensiver als manch großes Orchesterwerk. András Schiff am Flügel bewies das auch zusammen mit der Geigerin Yuuko Shiokawa und Miklós Perény (Cello).

In den Schubert‘schen Trios D 897 und 898 warfen sie sich lebendige Bälle zu, zu deren unbeschwertem Tanz Perénys begnadetes Zupfen noch mehr beitrug als Shiokawas gelegentlich leicht flirrender Geigenton. Kammermusik. Großartig.

Henning Bleyl