UNO will Frieden in Kongos Urwald

Nach Beratungen bei der UNO in New York verkündet Ruanda den Beginn seines Truppenabzugs aus Kongo

BERLIN taz ■ Kindu ist typisch für den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo. Die Stadt liegt tief im Urwald am Oberlauf des Kongoflusses und ist seit mehreren Jahren völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Irreguläre Milizen, die so genannten Mayi-Mayi, kontrollieren die Wälder rings um Kindu und kesseln dort die Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) ein. Nur per Flugzeug können die nach UN-Angaben etwa 175.000 Bewohner der Stadt, darunter knapp 42.000 Vertriebene, versorgt werden. Lebensmittel auf dem Markt sind für die meisten Einwohner unerschwinglich.

Nun soll Kindu zum Testfall für den Frieden werden. Ab heute soll Ruanda, dessen Armee im Osten des Kongo die RCD unterstützt und außerdem ruandische Hutu-Milizen bekämpft, per Luftbrücke aus Kindu mit dem Abzug seiner Soldaten beginnen. Das sagte gestern Ruandas Regierungssprecher Joseph Bideri und bestätigte damit eine Ankündigung von Ruandas Präsident Paul Kagame am Freitag vor dem UN-Sicherheitsrat. Eine Woche reiche, so Kagame, um den Großteil von Ruandas Armee aus dem Kongo zurückzuholen, und er werde gleich damit anfangen.

Sollte Kagame das ernst meinen, wäre das der erste konkrete Schritt zur Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Ruanda und Kongo, das Kagame und sein kongolesischer Amtskollege Joseph Kabila am 30. Juli in Südafrika unterzeichnet hatten. Darin war festgelegt worden, dass Kabila seine Unterstützung für ruandische Hutu-Milizen im Kongo beendet und im Gegenzug Ruandas Armee den Kongo verlässt – alles innerhalb von 90 Tagen. Kindu, wo bereits UN-Blauhelme aus Uruguay stehen, ist als UN-Basis für die Demobilisierung der Milizen vorgesehen.

Bis heute ist davon nichts umgesetzt worden. Darüber berieten am Wochenende Kagame, Kabila, US-Präsident George Bush, Südafrikas Präsident Thabo Mbeki und UN-Generalsekretär Kofi Annan in New York, und es gab eine geschlossene Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Konkretester Vorschlag: Eine Vergrößerung der UN-Blauhelmmission auf 8.700 Soldaten, darunter 1.500 aus Südafrika, und eine Erweiterung ihres bisher auf wenige Städte beschränkten Einsatzgebietes auf die vielen kleinen Flugpisten des Ostkongo, über die sich die Kriegsparteien versorgen und auch den legalen und illegalen Handel der rohstoffreichen Region abwickeln.

Zugleich soll das Aufspüren ruandischer Hutu-Kämpfer im Kongo beschleunigt werden. Es gibt davon zwei Sorten: die, die im Osten des Landes als irreguläre Milizen gegen Ruanda und die RCD kämpfen, und die, die als reguläre Soldaten in Kabilas Armee dienen. Von Letzteren sind 1.800 bereits seit einem Jahr in einem Entwaffnungslager auf der Luftwaffenbasis Kamina versammelt. 100 davon sollen nun unter UN-Überwachung Ruanda besuchen, um ihre Repatriierung vorzubereiten.

Doch hier enden die guten Nachrichten auch schon. Kabila findet, mit der Demobilisierungsaktion in Kamina habe er seinen Teil des Abkommens mit Ruanda erfüllt. Von dieser Haltung rückte er auch in New York nicht ab, obwohl die US-Regierung starken Druck auf Kabila ausübt, zumindest die vom UN-Ruanda-Tribunal gesuchten Kriegsverbrecher auszuliefern.

Was ruandische Milizionäre im Ostkongo angeht, dürften Fortschritte noch schwieriger sein. Sie sind nach wie vor militärisch aktiv. Neue Angriffe von Ruandas Armee auf sie, so berichteten am Wochenende Menschenrechtler aus der nordostkongolesischen Stadt Beni, hätten dazu geführt, dass mehrere tausend demobilisierungswillige ruandische Hutu-Kämpfer wieder in den Krieg gezogen seien.

So erscheint die Umsetzung des Friedensabkommens nach wie vor unrealistisch. Der Krieg um Kindu geht so oder so weiter. Die RCD führt derzeit aus Kindu eine Großoffensive gegen die Buschmilizionäre des Mayi-Mayi-„Generals“ Padiri, der Ende August einen Aufruf zum Volksaufstand gegen Ruandas Präsenz im Kongo verbreitet hatte. Der Aufruf, so wird aus Mayi-Mayi-Kreisen verbreitet, stammt in Wirklichkeit von der Regierung Kabila. Geleitet wird die RCD-Gegenoffensive vom kürzlich aus Goma nach Kindu versetzten Kommandanten Bernard Biamungu, der in Goma für seine Brutalität berüchtigt war.

Gute Friedensaussichten sind das alles nicht. Aus UN-Kreisen heißt es, Ruanda habe schon einmal angeboten, aus Kindu abzuziehen. Die UN-Mission habe die Ruander darum gebeten, dazubleiben, um die Blauhelme in Kindu nicht schutzlos mitten im Urwald alleine zu lassen.

DOMINIC JOHNSON