Bezahlen Sie mit Trockenfischen?

„Schlimmes Ende“: Philip Ardagh kann auch nicht erklären, warum Erwachsene sich so merkwürdig benehmen

Eddie Dickens’ Eltern sind krank. Sie sind gelb und an den Rändern etwas wellig. Außerdem riechen sie nach alten Wärmflaschen. „Du wird das Haus verlassen müssen“, sagt die Mutter. Es besteht Ansteckungsgefahr: „Nach den Unsummen, die wir dafür ausgegeben haben, dass du ein richtiger kleiner Gentlemann wirst, wäre das rausgeschmissenes Geld.“ Also zieht Eddie zum Wahnsinnigen Onkel Jack und zur Wahnsinnigen Tante Maud. „Benimm dich“, sagt die Mutter. „Mach ich“, sagt Eddie und fügt sich demütig in sein Schicksal, ähnlich wie die vielen elternlosen Kinder im Werk seines Namensvetters Charles Dickens.

„Schlimmes Endes“ heißt dieser Roman des britischen Kinderbuchautors Philip Ardagh, der zumindest auf den ersten Blick an „Oliver Twist“ erinnert. Eddie hat zwar Eltern, lässt sich aber von der Wahnsinnigen Tante Maud dazu überreden, sich bei einer Polizeikontrolle als Waise auszugeben, und landet so kurzerhand im „Sankt-Fürchterlich-Heim“ – einem Waisenhaus, das Dickens sich auch nicht besser hätte ausdenken können.

Polizisten, ist an dieser Stelle zu erfahren, hießen in England früher übrigens „Greifer“, nach ihrem Erfinder Johann Anton Zebedäus von Greyff: „Hätte er Johann Anton Zebedäus von Soyff geheißen, hätten sie den Spitznamen ‚Säufer‘ abgekriegt; demnach hatten sie noch ganz schön Glück gehabt.“ Das ist doch interessant – und „natürlich alles Quatsch“, gibt der Übersetzer Harry Rowohlt in einer Fußnote zu: Sir Robert Peeler erfand die britische Polizei, Polizisten nannte man „peeler“, und wenn der Erfinder Sir Robert Bonk geheißen hätte, ihr Spitzname wäre „bonkers“ gewesen: „Aber das wäre alles zum Übersetzen viel zu mühselig gewesen.“

Macht nichts. „Schlimmes Ende“ ist eh keines dieser „Kinder- und Jugendbücher“, die nebenher alle möglichen Dinge erklären wollen. Vielleicht liegt es daran, dass Philip Ardagh ansonsten non fiction schreibt. Er kennt sich aus mit Ritterburgen, Pyramiden und Hieroglyphen und weiß vermutlich, dass es darüber hinaus Dinge gibt, die sich nicht ganz so einfach erklären lassen.

Dazu gehören auch Erwachsene. In seinem ersten Roman lässt Philip Ardagh sie darum einfach das tun, was sie die meiste Zeit machen: Sie benehmen sich merkwürdig. Der Wahnsinnige Onkel Jack bezahlt das Nachtquartier mit Trockenfischen, die Wahnsinnige Tante Maud unterhält eine innige Beziehung zu einem ausgestopften Wiesel namens Sally-das-Wiesel, und Eddies Eltern brennen in der Abwesenheit ihres Sohnes vergnügt ihr Haus nieder.

Warum?

Falsche Frage. Richtiges Buch.

KOLJA MENSING

Philip Ardagh: „Schlimmes Ende“. Aus dem Englischen von Harry Rowohlt. Omnibus, München 2002, 125 Seiten, 9,90 €