Nackt gegen Bush

Die Initiatoren der Antikriegsdemonstration in Washington ringen um Aufmerksamkeit

aus Washington BERND PICKERT

Von überall her sollen sie morgen in die US-amerikanische Hauptstadt strömen, um gegen die Kriegspläne der eigenen Regierung zu protestieren. Unter dem Motto „Stop the War on Iraq before it starts“ wollen die FriedensaktivistInnen aufs Weiße Haus marschieren – und es sollen mehr werden als je zuvor, nach Möglichkeit so viele wie Ende September in London. Dort demonstrierten zwischen 350.000 und 400.000 Menschen. Allein 250 Busse aus allen Landesteilen sollen DemonstrantInnen nach Washington bringen.

Selbst wenn das Ziel hochgesteckt ist, spricht doch die landesweite Mobilisierung dafür, dass es etliche zehntausend werden dürften, die dem Aufruf der „International A.N.S.W.E.R“-Gruppierung folgen. Die Initiative wird von vielen mit Skepsis gesehen, weil der umtriebige ehemalige Generalstaatsanwalt Ramsey Clark seine Finger mit im Spiel hat – der hat sich auf internationalem Parkett zuletzt als Verteidiger des jugoslawischen Expräsidenten Milošević einen zweifelhaften Ruf erworben.

Aber Clark wird am Samstag sprechen, genauso wie der ewige Demonstrationsredner Jesse Jackson und die schwarze demokratische Noch-Abgeordnete Cynthia McKinney. Die hat sich in den Monaten nach dem 11. September 2001 dadurch hervorgetan, dass sie als einzige Abgeordnete die Frage der 9/11-Verschwörungstheoretiker nach Herkunft der Anschläge und „tatsächlichem“ Ablauf der Ereignisse im Kongress formuliert hat. Die Abgeordnete aus Georgia wird dem nächsten Kongress nicht mehr angehören: McKinney unterlag bei den Vorwahlen der Demokraten zur Wahl am 5. November.

Vom Rand ins Zentrum

So sind es derzeit noch die üblichen Verdächtigen, die gegen den Irakkrieg aufrufen – durchaus nicht ohne Erfolg, aber doch vom Rand der Gesellschaft. Über die gewohnten Kreise an den Unis und bei den linken Organisationen ist die Bewegung kaum hinausgekommen.

Neu hinzugekommen ist seit der großen Pro-Palästina-Demonstration im April diesen Jahres eine recht enge Allianz mit der politischen muslimischen Gemeinde. Sie trauen sich an die Öffentlichkeit, seit Friedensdemonstrationen selbst bei der Polizei den Ruf genießen, von friedlichen, gesetzestreuen Bürgern organisiert zu werden. „Für viele von ihnen war die Palästinakundgebung die erste überhaupt, an der sie teilgenommen haben“, erklärte Mahdi Bray, Geschäftsführer der „Freiheitsstiftung Amerikanischer Muslime“ gegenüber der Washington Post. „Sie wollten nicht als Unruhestifter angesehen werden. Aber sie haben gemerkt, dass sie demonstrieren können und dass sie gar nicht allein sind.“

Gespannt sind die OrganisatorInnen auch, wie die Presse mit dem Ereignis umgehen wird. Zwar haben die liberalen Ostküstenmedien – allen voran die Washington Post – inzwischen über die Aktivitäten der Bewegung berichtet. Doch in den ungleich wichtigeren Fernsehnachrichten der großen Kanäle war kaum ein Bild zu sehen, als Anfang Oktober im New Yorker Central Park 20.000 Menschen gegen den Irakkrieg demonstrierten.

Das letzte Hemd

Die Medien sind zwar nicht gleichgeschaltet. Aber der Rahmen, in dem auf den Meinungsseiten der großen Zeitungen das Für und Wider diskutiert wird, ist eher klein. Der Generalverdacht der Friedensbewegung gegen die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Bush-Regierung findet sich darin nicht wieder. Hingegen gehört es in den Medien durchaus zum guten Ton, Zweifel an der Dringlichkeit, dem Erfolg, den Kosten des Krieges oder den Folgen für den Krieg gegen den Terror zu formulieren.

So müssen sich die Demonstranten selbst ins Gespräch bringen: durch massenhaftes Erscheinen. Und wenn das nicht reicht, wollen Mitglieder der Grünen ohne Hemd demonstrieren – als Symbol, dass Bush für den Krieg den Bürgern das letzte Hemd auszieht. Nacktes erregt in den USA immer noch die meiste Aufmerksamkeit.