Delegierte außer Rand und Band

Eine „Lektion in Basisdemokratie“: Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Brigitte Dreyer verliert auf einen Schlag jede Funktion in der Dienstleistungsgesellschaft verdi. Die von Klinikchefs geforderte Privatisierung der Kliniken wurde ihr zum Fallstrick

Eine „persönliche Erklärung“ hatte der Personalratsvorsitzende des Krankenhauses Links der Weser vor rund 100 Verdi-Delegierten ganz harmlos angekündigt – und damit am Samstag auf der Bezirksdelegiertenkonferenz bei den Wahlen für den Vorstand einen Stein ins Rollen gebracht, der weit über erste personelle Konsequenzen in den Gewerkschaftsgremien hinaus reichen wird. Der Geschäftsführer der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft verdi in Bremen, Wolfgang Schäfer jedenfalls, hat die Vorfälle vom Samstag als „Lektion in Basisdemokratie“ verbucht – als Vorgang „mit einer bedenklichen Eigendynamik“ jedoch, den er gerne gestoppt hätte.

Dafür hatte Schäfer als bezahlter Gewerkschaftsfunktionär vor den ehrenamtlichen Aktiven eigens das Rederecht beantragt. Doch es half nichts. Die 100 Delegierten wichen vom vorgesehenen Spielplan ab. Anstatt den intern bereits streng nach Proporz ausgehandelten Wahlvorschlägen für die Positionen vom Vorstand bis zum Bundesdelegierten zu folgen, machten sie den Aufstand. Nach mehrstündiger Debatte erlitt die Bremer CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Brigitte Dreyer, von ihrer Herkunftsgewerkschaft DAG eigentlich für sämtliche Positionen nominiert, eine Wahlniederlage, die ihresgleichen sucht. Auch deshalb, weil für die wegen Krankheit entschuldigte langjährige DAG-Aktive keiner der eigenen Kollegen das Wort ergriff. „Hinterher herrschte so etwas wie klammheimliche Freude“, berichten Anwesende. Die Person Dreyer, vor langen Jahren auch mal SPD-Mitglied, gelte schon länger als „umstrittene Personalie“, als „quasi gespaltene Persönlichkeit“, die ihre gewerkschaftlichen Positionen mit denen einer CDU-Abgeordneten nicht immer gelungen verbinde.

Damit hatte der Aufstand angefangen. „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich Brigitte Dreyer nicht wählen“, hatte der Personalrat Peter Erlanson, erklärt. Denn er halte die CDU-Abgeordnete und ihre „Blockade-Politik“ am sogenannten Runden Tisch bei der Gesundheitssenatorin für schuldig wenn Bremens kommunale Kliniken in der nächsten Legislaturperiode privatisiert würden. Man habe einen Konsens gefunden, der die Häuser unter einem Dach flexibler und wettbewerbskräftiger machen solle – doch nun hätten Dreyer und die CDU sich darauf zurückgezogen, dass die kommunalen Kliniken in öffentlicher Hand blieben. Damit werde ein zukunftsfähiger Kompromiss gekippt. 8.000 Bedienstete stünden nach jahrelanger Lösungssuche nun wieder im Ungewissen. „Durch keine arbeitnehmerfreundliche Position“ zeichne sich Dreyer aus, so Erlanson – den die Folgen seiner Rede jedoch selbst überraschten. Dreyer flog von allen Listen, an ihrer Stelle wurden andere ehemalige DAG-Leute nominiert. Erlanson sieht die Frage der Krankenhaus-Privatisierung damit als eine Zukunftsfrage, in der sich Verdi positioniert hat. Andere wollen den Ball flach halten. Es habe sich nur um „eine umstrittene Personalie“ gehandelt.

Die betroffene Dreyer, für die ganze Woche noch krank geschrieben, reagiert auf den Wahlausgang überrascht. Was Erlanson da gesagt habe, sei „Unfug“. Sie wisse auch nicht, was arbeitnehmerfeindlich sei an der Position, dass die Kliniken in staatlicher Hand bleiben sollten. Ob sie Stellung bezieht zu einem Vorgang, der „keinen schönen Stil hatte“, will sie noch entscheiden. ede