Florenz soll keine Neuauflage von Genua werden

Globalisierungskritiker setzen große Hoffnungen in das Europäische Sozialforum. Schließlich haben sie diesmal die Gewerkschaften mit im Boot

FLORENZ/BERLIN taz ■ „Ein zweites Genua wird es in Florenz nicht geben.“ Ihren Optimismus gründen die italienischen Organisatoren des Europäischen Sozialforums (ESF) auf eine simple Tatsache: „Diesmal sind wir nicht allein.“ Dies vor allem deshalb, weil die italienischen Gewerkschaften massiv zum Treffen der New Globals mobilisieren.

Noch vor einem Jahr in Genua war das ganz anders. Da hatten einige kleine, „antagonistische“ Basisgewerkschaften zum Anti-G-8-Protest mobilisiert, die großen Bünde aber hielten sich abseits, mit Ausnahme der Metaller des größten Bundes, der CGIL. Globalisierungskritiker und Gewerkschafter – das waren auch in Italien scheinbar zwei verschiedene Welten. Während die einen über eine „andere Welt“ nachdachten, waren die anderen mit Konzertierungsrunden und moderater Tarifpolitik beschäftigt.

Jetzt dagegen kommt gleich der Vorsitzende der CGIL, Guglielmo Epifani, nach Florenz, und mit ihm tausende Gewerkschafter. Spätestens seit dem Frühjahr, seit den Protesten der CGIL gegen Berlusconis Pläne zur Aufweichung des Kündigungsschutzes, haben beide Seiten entdeckt, dass sie auf vielen Feldern die gleiche Sprache sprechen. Die Generalstreiks, die Massendemonstrationen der CGIL sahen immer wieder Blöcke der New Globals, der im ganz Land entstandenen „Social Forums“, ja auch der Bewegung der „Ungehorsamen“ aus den besetzten Autonomen Zentren. Mit Berlusconi steht ein Gegner auf der anderen Seite, der bisher alles getan hat, um die Protestfront beisammen zu halten.

Eine ähnliche Annäherung hat auch in Deutschland stattgefunden. So demonstrierten beim Aktionstag „Her mit dem schönen Leben“ im September in Köln Gewerkschaftsjugendliche und Globalisierungskritiker. Allerdings sei im Demonstrationszug die Trennungslinie deutlich geblieben, berichten Teilnehmer: hier die eher politischen Attac-Jugendlichen, dort die unpolitischere Gewerkschaftsjugend.

Das junge globalisierungskritische Bündnis hofft, seine Anliegen über die Gewerkschaften mit ihren mehreren Millionen Mitgliedern auch in „die Bevölkerung“ zu tragen. Umgekehrt möchten die Gewerkschaften ihr Image mit Hilfe von Attac etwas aufpeppen. Auch in Florenz werden deutsche Gewerkschafter dabei sein. Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, hält eine Rede.

Anders als in Deutschland sind und bleiben in Italien die CGIL-Metaller die Vorreiter der Bewegung. Sie trugen entscheidend die Vorbereitung des ESF mit – und stoßen dabei auf wenig Misstrauen. Erst Genua, dann andere spektakuläre Aktionen wie die Reise italienischer New Globals nach Ramallah: Metaller waren immer dabei. Und so werden am Samstag bei der Antikriegsdemo nicht nur tausende Gewerkschafter dabei sein. Sie werden zugleich den Ordnerdienst besorgen; Hafenarbeiter aus Livorno und Großmarktpacker aus Florenz sollen dafür sorgen, dass Florenz nicht zur Wiederholung von Genua wird. MICHAEL
BRAUN, KATHARINA KOUFEN

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