Nomadentum on Ice

Heute Abend feiern die Eishockey Freezers nach zwölf Auswärtspartien am Stück ihre Heimpremiere in der Color Line Arena. Richten soll es den Hamburg-Münchnern ein 33-jähriger Kanadier

von Jörg FEYER

So läuft das im modernen Nomadentum des Profisports. Jesse Belanger saß zu Hause bei den Seinen, als das Telefon klingelte. „Hamburg sucht einen Center“, sagte sein Agent in den Hörer auf der anderen Seite. Woraufhin sich der 33-jährige Kanadier und seine Frau erst mal einen Atlas schnappten und feststellten, dass diese Stadt da in Deutschland „ja ziemlich weit im Norden liegt“. Als dann auch noch durchsickerte, das der potenzielle neue Arbeitgeber auf den Namen Freezers hört, so Belanger, „fürchtete meine Frau schon, es müsste hier ziemlich kalt sein“. Inzwischen wissen die Belangers aber, dass es „natürlich in Kanada viel kälter ist“ und obendrein in Hamburg „kaum noch Schnee fällt“. Was der Mann, für einen Eishockey-Profi doch überraschend, sogar für „gut“ befindet.

Die kurzfristige Neuverpflichtung soll es nun als Hoffnungsträger im Sturm richten für die bisher offensiv schwachen Freezers, derweil Trainer Sean Simpson seinem Team in der Defensive bisher mit nicht mal drei Gegentreffern pro Spiel eine „sehr ordentliche“ Leistung bescheinigt. Doch kann der Eis-Vagabund, der bisher in zehn Profijahren für nicht weniger als 13 Teams am Puck war, den beschwerlichen Weg in die Play-Offs entscheidend ebnen? Seine beste Zeit in der NHL liegt schon etwas länger zurück, zuletzt reichte es nur noch für die B-Nationalliga der Schweiz. So steht vorläufig nur fest, dass Belanger ob seines Trainingsrückstandes heute Abend gegen die Kölner Haie kaum seinen ersten Treffer landen wird.

Dafür konnten die Freezers rechtzeitig zum ersehnten Heimdebüt nach zwölf Auswärtsspielen am Stück immerhin den ersten Großsponsor präsentieren. Eine Brauerei darf auf dem Trikot für ein neues Biermischgetränk werben und dafür rund 160.000 Euro zahlen – zunächst für diese Saison, finden Team und Bier zusammen zu guter Form, besteht eine Option für zwei weitere Spielzeiten. Weitere Geldgeber sollen folgen, doch längst schlägt die wirtschaftliche Lage auch auf die Werbeetats für den Profisport durch.

„Es findet eine Umorientierung statt, die auch die Freezers spüren“, sagt Detlef Kornett, Europa-Chef des US-Großinvestors Anschutz, der aus den in München kommerziell gescheiterten Barons im Sommer kurzerhand die Freezers in Hamburg gemacht hatte. Kornett diagnostiziert einen „unheimlich umkämpften Markt, nicht nur auf dem Eis, sondern auch drum herum“. Das könnte eine große Rolle spielen bei der Etablierung einer Mannschaftssportart, die in Hamburg nicht gerade eine traditionelle Hochburg hat und deshalb „bei null beginnen muss“, wie Vermarkter Christian Toetzke erkannt hat.

Weshalb der Geschäftsführer der verantwortlichen Vermarktungsagentur Upsolut auch schon die Color Line Arena als „weiteren Starspieler“ ausgemacht hat. Sprich: Sollte der aktuell Tabellenletzte, der allerdings noch sechs Partien weniger als die Konkurrenz gespielt hat, für den Anschluss nach oben länger benötigen als erhofft, muss es erst mal der große Budenzauber unter dem Motto “Welcome On Planet Ice“ richten, „also ein bisschen losgelöst vom sofortigen sportlichen Erfolg“. Mittelfristig ist Toetzke um die Aussichten des neuesten Fohlen im Upsolut-Stall (Cyclassics, Triathlon, St. Pauli) aber nicht bang. „Ich bin mir sicher, dass wir im Eishockey erfolgreicher sein werden als die anderen Mannschaftssportarten in Hamburg.“