: Rund um Starbuck’s Coffee: Die neuen No-go-Areas

Achtung, Touristen

Das erste Berliner Starbuck’s Coffee am Hackeschen Markt eröffnete mit einer Prominentenparty. Seitdem machten in Berlin weitere Filialen auf, und sie laufen sich langsam ein, wie man so sagt.

Ein gescheiterter Dotcom-Unternehmer, der dann in Mitte ins Café-Geschäft einstieg, meint: „Man glaubt gar nicht, wie viel Geld mit Kaffee zu machen ist.“ Immobilienmakler gehen jedoch eher davon aus, dass es der Standort ist, der die Musik macht, insbesondere die „Eins-a-Lagen“ in den Groß- und Hauptstädten, die „dynamisch“ gehalten werden können. Die Starbuck’s-Kette arbeitet dabei – ähnlich wie die Hard-Rock-Café- und Planet-Hollywood-Kette – mit internationalen Immobilienmaklern zusammen, die sich auf Objekte in Toplagen spezialisiert haben.

Gleiches gilt auch für Nike und McDonald’s. Letztere setzen bei ihrer permanenten Standortsuche ausgefeilteste Rasterfahndungsmittel ein – bis hin zu Satellitenaufnahmen. Bei ihrer Globalexpansion können sie sich daneben auch noch auf den US-Patriotismus verlassen: Während die dortigen neoliberalen Politiker und Banker in Eurasien für die Zerschlagung der großen Wirtschaftseinheiten plädieren – und zum Beispiel der Ukraine rieten, ihre Kolchosen komplett zu zerschlagen (mit der Folge, dass man dort jetzt trotz der besten Schwarzerdeböden der Welt Grundnahrungsmittel aus Polen bezieht) –, setzen dieselben Globalisierungsakteure wie etwa die US-Landwirtschaftsministerin Ann Veneman bei sich zu Hause eine genau entgegengesetzte Politik durch. Hier können ihnen nämlich die industrialisierten landwirtschaftlichen Betriebe gar nicht groß genug sein – inzwischen produzieren nur noch vier Agrarunternehmen 80 Prozent des amerikanischen Rindfleischs. Im Heimatland also Konzentration des Kapitals, aber draußen Zersplitterung der Kräfte, damit sich diese Bereiche umso leichter kapitalisieren lassen.

Zurück zur Starbuck’s-Filiale und dem Umfeld Hackescher Markt: Es ist ein Touristen-Hotspot geworden – mit denselben Läden und Waren wie in Prag, Krakau, Madrid etc., zudem überteuert und aufdringlich. Trotzdem gibt es auch für diese Multis noch ein Restrisiko: Das Berliner Planet Hollywood machte wieder dicht, und auch die vielen Hard Rock Cafés dümpeln hierzulande vor sich hin. Während McDonald’s in Europa und USA eher Billig-Fastfood verkauft, zählen dieselben Läden in Russland und Asien zu den teuren Restaurants. Hier werden die Planet Hollywoods und Hard Rock Cafés von jungen Facharbeitern aufgesucht, in Indonesien und auf den Philippinen sind sie dagegen Künstler- und Studentenclubs.

Auch der mit über einer Million Beschäftigten allein in den USA größte private Arbeitgeber der Welt, die antigewerkschaftliche Wal-Mart-Kette, hat bisweilen noch mit den Tücken des Objekts zu kämpfen. Obwohl sie es geschafft hat, Amerika in weiten Teilen fast konkurrenzlos flächendeckend zu verschandeln, gibt es immer noch Flecken, wo man die Wal-Mart-Billigkäufhäuser links liegen lässt: im Berliner „Problembezirk“ Neukölln etwa. Und obwohl Starbuck’s fast ganz London problemlos mit einem dichten Filialnetz überziehen konnte, gelang es dort neulich einer Bürgerinitiative, im gemütlichen Intellektuellenviertel Stoke Newington bereits die erste Filialeröffnung zu verhindern.

Die am Berliner Touristenparcours in Mitte platzierten Starbuck’s-Filialen passen dagegen in das dortige „internationale Flair“ wie die Faust aufs Auge. Die amüsierwütigen Besucher aus Nah und Fern verlangen geradezu nach überall gleichen Angeboten und Atmos, um sich auch in scheinbar fremder Umgebung sofort orientieren zu können. Deswegen sehen alle großen Hotellobbys und Flughäfen der Welt gleich aus. Vor der Wende gab es hier zum Beispiel eine große Gruppe von regelmäßig mehrtägig nach Westberlin reisenden Westdeutschen, die nichts anderes taten, als sich im und am Europa-Center aufzuhalten. Im Kleinen galt das auch für den Neuköllner Hermannplatz, den die Bewohner von Britz, Buckow und Rudow ansteuerten, wenn sie in die „Stadt“ wollten, um was zu erleben. Dort hing schrilles Volk herum. Viele Hermannplatz-Geschäftsleute meinten, die Punker, Fixer und Jugendgangs würden ihnen die Kunden vergraulen. Das Gegenteil bewies die Stadtplanungsforscherin Toni Sachs-Pfeiffer: „Die alten Leute kamen von weither, um sie sich einmal aus der Nähe anzugucken, dabei haben sie dann auch was eingekauft.“ Diese Erkenntnis hat sich bis nach Bremen herumgesprochen, wo die vor den Supermärkten herumlungernden Punker fast alle von der Stadt auf ABM-Basis angestellt wurden.

To cut a long capitalistic shitstory short: An den Hackeschen Markt und was dazugehört geht man als Einheimischer eigentlich nur noch, um Touristen anzugucken. Es ist entseeltes Terrain, aber nur dieses Niemandsland ermöglicht optimale Renditen. Und den Touristen garantieren die Starbuck’s-Filialen dort eine gewisse Qualitätsnorm – bis hin zu den Toiletten, die den überall auf der Welt gleichen Duft des internationalen Kammerjägerkonzerns Rentokill ausströmen. HELMUT HÖGE