Eine Schüssel für Bertie

Irland bewirbt sich gemeinsam mit Schottland um die Fußball-EM 2008. Das Problem: Es verfügt über kein Fußballstadion. Und im Dubliner Croke Park ist das „barbarische Spiel“ verpönt

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Wer schenkt den Iren ein Fußballstadion? Im September musste die Dubliner Regierung ihre ambitionierten Pläne für ein Nationalstadion begraben, weil der Wirtschaftsboom vorbei ist und der Gürtel in vielen Bereichen enger geschnallt werden muss. Für Premierminister Bertie Ahern war es eine persönliche Niederlage, denn er hatte sich so vehement für das neue Stadion eingesetzt, dass es im Volksmund bereits „Bertie-Schüssel“ hieß. Doch der Koalitionspartner zwang ihn zum Rückzug. Wenn das Geld knapp sei, haben Bildung und Gesundheit Vorrang, sagte die stellvertretende Premierministerin Mary Harney.

Eine halbe Milliarde Euro ist bereits investiert worden, doch mehr als ein großes Loch im Boden kann man nicht vorweisen. Nun sucht Ahern in ganzseitigen Zeitungsanzeigen private Investoren, die weitere 500 Millionen Euro aufbringen und das Projekt retten sollen, denn Irland hat sich mit Schottland um die Fußball-EM 2008 beworben. Die Schotten steuern sechs Stadien bei, die Iren müssen zwei zur Verfügung stellen.

Ein Fußballstadion haben sie bisher nicht, die irische Nationalmannschaft trägt ihre Heimspiele im Rugby-Stadion Lansdowne Road aus, dem „antiksten Stadion Europas“, wie es ein Funktionär des Europäischen Fußballverbands Uefa nannte. Es ist mehr als hundert Jahre alt, soll aber rechtzeitig zur EM modernisiert werden.

Dabei hätte man ein perfektes Stadion: Croke Park, das vor kurzem mit Hilfe von Steuergeldern generalüberholt wurde und die Uefa-Anforderungen spielend erfüllt. 80.000 Zuschauer passen hinein, alle auf Sitzplätzen. Der Haken: Fußballer haben dort keinen Zutritt. Das Stadion in der nördlichen Dubliner Innenstadt gehört der Gaelic Athletic Association (GAA), die sich um die traditionellen Sportarten Gaelic Football, Hurling und Camogie kümmert. 1884 gegründet, war die GAA ein Hort des Widerstands gegen die britische Besatzung. So traf 1920 nach einem IRA-Attentat der britische Vergeltungsschlag nicht zufällig den Croke Park: Englische Söldner erschossen während eines Gälischen Fußballspiels 13 Menschen, darunter den Kapitän des Teams aus Tipperary. Deshalb verachten viele Traditionalisten noch heute vor allem die „englischen“ Sportarten Fußball, Rugby, Hockey und Cricket. Bis 1971 war es den GAA-Mitgliedern sogar streng verboten, sich diese „barbarischen Spiele“ anzusehen, geschweige denn selbst zu spielen.

Als die GAA 1993 staatliche Zuschüsse für die Erweiterung des Croke Park beantragte und man ihr daraufhin nahe legte, die Stadiontore für Fußball zu öffnen, sagte der damalige GAA-Präsident Michael Loftus entsetzt: „Die GAA hat so viel für die Entwicklung der irischen Gesellschaft getan, dass sie ein Recht auf staatliche Zuschüsse ohne Vorbedingungen hat.“

Ahern hofft, dass die GAA einer Ausnahmegenehmigung zustimmt, wenn es mit einem eigenen Fußballstadion nicht klappt. Doch selbst für zwei, drei Spiele im Rahmen der EM wäre eine komplizierte Änderung der GAA-Statuten erforderlich. Erst im vorigen Jahr hat der Verband eine solche Satzungsänderung mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt. „Eher lassen wir Balletttänzer ins Stadion“, sagte ein Funktionär damals.

In Schottland sieht es besser aus. Mit Hampden Park, Ibrox und Celtic Park in Glasgow und Murrayfield in Edinburgh hat man bereits vier EM-taugliche Stadien, und die restlichen beiden werden rechtzeitig für das Turnier fertig, so hat die schottische Regionalregierung versprochen. Eigentlich wollte sich der schottische Fußballverband ja auch im Alleingang für die EM bewerben, doch so viel Geld mochte die Regierung in Edinburgh dann doch nicht locker machen. So befürchtet man nun, dass das politische Gerangel in Dublin einen Strich durch die „keltische Europameisterschaft“ machen könnte.

Als Geheimwaffe hat der Verband Alex Ferguson aufgeboten, den schottischen Trainer von Manchester United, der für die Erfolge seiner Mannschaft von der Queen geadelt wurde. Man solle die Schotten und Iren das Turnier ruhig austragen lassen, erklärte er den Uefa-Funktionären neulich, schließlich hätten sie die besten Fans der Welt. Sicherheitsprobleme gäbe es daher nicht.

Einen Verbündeten haben die Schotten und Iren in David Will, dem Vizepräsidenten des Weltverbands Fifa. Er hält ihre Bewerbung für mindestens ebenso aussichtsreich wie die der Konkurrenz aus Österreich und der Schweiz. Einen Nachteil für die Alpenländer sieht er darin, dass die WM 2006 im benachbarten Deutschland ausgetragen wird. Allerdings ist Will Schotte, was sein Urteilsvermögen möglicherweise trübt. Schließlich hat die EM 1996 in England stattgefunden, was gegen Schottland und Irland spricht.

Dem Uefa-Ausschuss, der über die Vergabe der Europameisterschaft entscheiden muss, gehören 14 Mitglieder an. Fünf dürfen nicht mitstimmen, weil ihre Länder zu den Mitbewerbern gehören. Englands Stimme geht an die keltischen Nachbarn, Deutschland stimmt für die Schweiz und Österreich. So kommt es auf die restlichen sieben an. Gehen Irland und Schottland am Donnerstag leer aus, wird das Loch in Dublin, wo die „Bertie-Schüssel“ entstehen sollte, wohl als Monument der politischen Inkompetenz in die irische Geschichte eingehen.