Die dritte schwarze Flut kommt

Ölpest in Galicien immer verheerender. An Fisch und Meeresfrüchten reichste Region jetzt bedroht. Spanische Regierung lobt derweil eigenes Krisenmanagement

MADRID taz ■ Tag für Tag starren die galicischen Fischer am Kap Silleiro, am Eingang der Ría von Vigo, mit einem riesigen Fernglas aufs offene Meer. Dort draußen windet sich eine 18 Meilen lange und sechs Meilen breite schwarze Schlange aus Schweröl. Der Wind treibt noch nach Norden, parallel zur Küste. Sobald er nur ein bisschen dreht, ist die Katastrophe da: Tausende von Tonnen des schwarzen Giftes aus dem vor einem Monat untergegangenen Tanker „Prestige“ werden an die Küste geschwemmt. Keiner zweifelt daran, dass es sich nur noch um Tage, wenn nicht um Stunden handeln kann.

Die dritte „marea negra“ (schwarze Flut) wird schlimmer sein als alles bisher Dagewesene. Denn das Wetter verschlechtert sich stündlich. Der Wind blies gestern mit bis zu 70 Stundenkilometern. Die Wellen waren über sechs Meter hoch. Weder die ausländischen Spezialschiffe zum Absaugen von Öl noch die kleinen Fischerboote, deren Besatzung die Flecken mit Käschern, riesigen Löffeln oder mit den bloßen Händen einsammeln, können hinausfahren. Wenn das Öl kommt, wird es so in die fisch- und meeresfrüchtereichen Rías Baixas eindringen. Die Katastrophe wird die an der Costa da Morte um vieles übertreffen. Neben dem großen Teppich bedrohen tausende von kleinen Flecken die Rías. Die Spezialschiffe können sie selbst bei gutem Wetter nicht aufnehmen. Viele dieser Flecken treiben nicht auf der Wasseroberfläche, sondern in drei bis vier Meter Tiefe.

Die dritte Flut bedroht auch die portugiesische Nordküste. Ein Spezialschiff hat dort am Sonntag rund 80.000 Liter Öl aufgefangen. Doch das norwegische Schiff, das von der portugiesischen Regierung gemietet wurde, musste mittlerweile seine Arbeiten ebenfalls wegen starken Seegangs einstellen.

Am Wochenende reisten erneut 6.000 Freiwillige aus ganz Spanien nach Galicien. Sie sammelten an der Küste insgesamt 700 Tonnen Ölschlamm ein. 12.000 weitere Freiwillige haben sich bei den verschiedenen Umweltschutzorganisationen gemeldet und warten darauf, dass sie zu Reinigungsarbeiten einberufen werden.

Von staatlicher Seite wurden bisher 80 Millionen Euro im Kampf gegen die Ölpest ausgegeben. Diese Ziffer nannte am Wochenende der spanische Minister für öffentliche Arbeiten, Francisco Alvárez Cascos, auf einer Galicienreise. Er traf vor einem Monat die umstrittene Entscheidung, die „Prestige“ aufs offene Meer zu schleppen. „Während der Krise gab es Operationen, die es wert sind, in die Liste der Weltgeschichte für Bergungsarbeiten einzugehen“, erklärte Alvárez Cascos der erstaunten Presse. Kurz darauf gab er zu, dass seine Techniker nach dem System „Versuch und Irrtum“ vorgegangen seien. Auch Regierungschef José María Aznar betonte gestern in einer parlamentarischen Fragestunde einmal mehr, dass die Behörden schnell und richtig gehandelt hätten. REINER WANDLER