Jetzt Holz hacken, bitte

In Norwegen wird Elektrizität knapp. Zwar ist Wasserkraft an sich reichlich vorhanden, doch die Energieunternehmen haben im Sommer die Stauseen leer laufen lassen, um Strom zu exportieren

aus Oslo REINHARD WOLFF

Kein europäisches Land produziert und exportiert so viel Energie wie der Ölkrösus Norwegen. Und in keinem Land wird damit so verschwenderisch umgegangen. Doch damit könnte es bald ein Ende haben. In Norwegen droht Stromrationierung. Die Regierung hat die Notbremse gezogen und den freien Elektrizitätsmarkt eingeschränkt. Und Energieminister Einar Steensnæs ruft bereits zum Stromsparen und Holzhacken auf: „Alle, die können, sollen auf Holzfeuerung umstellen.“

Norwegen ist Großproduzent von Erdöl und Erdgas. Doch wärmen sich mehr ItalienerInnen mit norwegischem Erdgas als die Einheimischen selbst. Hier ist traditionell noch die Energie fressende Elektroheizung die übliche Wärmequelle. Der Strom kommt fast durchweg aus den eigenen Wasserkraftwerken und war deshalb immer eine billige Überflussware. Doch in diesem Winter ist alles anders. Der Sommer am Polarkreis war nahezu das genaue Gegenteil seines mitteleuropäischen Pendants: trocken wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Herbst machte seine Sache noch schlechter: Seit 70 Jahren regnete es von August bis November nicht so wenig wie in diesem Jahr. Das Resultat: mehr oder weniger leere Staubecken. Eine Kältewelle – und die Krise ist da.

Doch es sind nicht allein die meteorologischen Zufälle, welche Norwegen in diesem Winter womöglich frieren lassen. Die Kräfte des freien Strommarkts leisten ihren Beitrag zur Versorgungskrise. Seit 1996 gibt es einen einheitlichen nordischen Strommarkt. Anstatt in der warmen Jahreszeit für den Winter vorzusorgen, ließen die Kraftproduzenten lieber die Turbinen auf voller Leistung laufen, da der Strom zu guten Preisen in die Nachbarländer und nach Deutschland zu verkaufen war – wo man angesichts des billigen norwegischen Wasserkraftstroms die eigenen und teurer produzierenden Öl-, Kohle- und Atomkraftwerke drosselte.

Darauf hat die norwegische Regierung nun reagiert. Ab der Vorweihnachtswoche teilte man das Land in vier Stromzonen ein, zwischen denen ein Handel mit Elektrizität nicht mehr erlaubt ist. Damit soll vermieden werden, dass die Energieproduzenten das kostbare Gut meistbietend über die Landesgrenze hinweg verkaufen.

Denn auch im Nachbarland Schweden haben Trockenheit und der Wunsch nach maximaler Gewinnspanne die Wasserkraftbecken geleert. Während in Norwegen die Versorgungssicherheit auf dem Spiel steht, ist in Schweden zusätzlich ein Marktversagen anderer Art zu beobachten. Eine Hand voll Konzerne beherrschen mehr als 90 Prozent des Angebots und können an der gemeinsamen nordischen Strombörse NordPool das Preisniveau manipulieren. Im Dezember lagen die Strompreise zeitweise mehr als fünffach über dem Vorjahresniveau. Auf das Jahr umgerechnet erwartet die Durchschnittshaushalte eine 70 Prozent höhere Stromrechnung als 2001. Die ersten Stromhandelsfirmen ohne eigene Produktion sind schon in Konkurs gegangen. Aufgrund langfristiger Verträge mussten sie plötzlich billiger an die Haushalte verkaufen, als sie die Kilowatts selbst erwarben. Die schwedische Strommarktbehörde hat die großen Konzerne nun zur Erfüllung der Lieferverträge an die konkursbetroffenen EndkundInnen zwangsverpflichtet.

Für Strommarktanalytiker Roger Fredriksson ist klar: „Wenn eine Ware in fünf Jahren so unglaublich viel teurer wird, obwohl die Zahlen für Angebot und Nachfrage sich kaum geändert haben, dann funktioniert der Markt nicht.“