„Firmenwagen gibt es nicht“

Gegen den Branchentrend bringt ein Heimatzeitungs-Verlag in Speyer einen neuen Titel auf den Markt

BERLIN taz ■ „Den Mut verlieren kann man in unserer Situation gar nicht.“ – Solche Worte kommen inmitten der Zeitungs- und Medienkrise den wenigsten Verlegern über die Lippen. Es sei denn, sie gehören zum WAZ-Konzern. Oder zum Verlag Johannes Martin Söhne. Der sitzt im hessischen Viernheim, verlegt das Viernheimer Tageblatt, schreibt schwarze Zahlen und macht inmitten des großen Branchenklagens eine neue Zeitung auf: Seit Jahresanfang erscheint im benachbarten Speyer die Speyerer Morgenpost.

Das Blatt tritt in die Fußstapfen der Ende 2002 eingestellten Speyerer Tagespost, einem Ableger der großen Regionalzeitung Mannheimer Morgen. 5.500 Exemplare haben die in und um die Domstadt absetzen könne, so Morgenpost-Verleger Wolfgang Martin, rund 4.200 Abonnenten habe er bereits für das neue Blatt gewonnen. „Ab 5.000 rechnet es sich“, sagt Martin, der an solche Kleinauflagen gewöhnt ist. Auch das Viernheimer Tageblatt verkauft täglich gerade einmal 5.700 Exemplare.

Für Speyer ist so die Degradierung zum Einzeitungskreis, in dem lediglich ein lokaler Titel zu haben ist, gestoppt: Neben der Morgenpost erscheint hier eine Nebenausgabe der Rheinpfalz aus Ludwigshafen. Durchschnittlich fünf Seiten Lokales will man täglich produzieren, „das ist unsere Stärke“ sagt Martin – und für eine Stadt von knapp 50.000 Einwohnern ein solides Unterfangen.

Die Werbekrise, von den meisten Verlagen als Ursache (und hier und da auch willkommener Anlass) für Kürzungen und Stellenabbau bemüht, trifft den Heimatzeitungsverlag kaum: Ein Umsatzplus dürfte für 2002 in der Bilanz stehen, prognostiziert Martin. Denn im vom Schwund besonders betroffenen überregionalen Anzeigenmarkt hätte man ohnehin kaum mitgespielt, und die Lokalanzeigen blieben stabil. Der ganz große Gewinn sei so natürlich nicht zu machen, sagt der Kleinverleger: „Wir haben schon immer mit niedrigen Erlösen und noch nidriegeren Kosten arbeiten müssen.“

Und wem Martins „Firmenwagen und Sekretärinnen gibt es nicht“-Devise noch nicht taz-ähnlich genug ist: Einen Teil seiner Blätter lässt er bei der Frankfurter Druckerei Caro drucken – direkt nach der taz. STG