Deal mit symbolischen Kosten

Eine große Sammlung als Reparatur: Auch nach der Präsentation der Flick Collection kann von einem Konzept für zeitgenössische Kunst in Berlin nicht die Rede sein

Sprach Kulturstaatsministerin Christina Weiss mit Schadenfreude davon, dass es nun keine Zürcher Verlobung, sondern eben eine Berliner Verlobung gegeben habe? Hätte die Vorsitzende des Stiftungsrats Preußischer Kulturbesitz nicht besser von einer Affäre gesprochen? Schließlich zielt eine Verlobung auf die spätere Heirat und von der wollte am Donnerstag keine der beteiligten Parteien reden, als es auf der Pressekonferenz der Staatlichen Museen darum ging, dass die Sammlung zeitgenössischer Kunst von Friedrich Christian Flick ab 2004 für sieben Jahre ihre erste öffentliche Präsentation in Berlin finden wird.

Dass die Affäre keine skandalöse wird, dafür sorgte die Nachricht, dass Friedrich Christian Flick allein für die Umbaukosten der Rieckhalle neben dem Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für zeitgenössische Kunst, aufkommt. Und Umbau ist in Hinblick auf den Zustand der 12.000 Quadratmeter großen Speditionshalle ein ausgesprochen euphemistischer Begriff. Der Umbau wird ein Neubau sein müssen – der, wie Flick bekannt gab, von einem Berliner Büro ausgeführt werden soll. Es braucht also nicht mehr die ganz großen Architektennamen, die noch bei seinen ad acta gelegten Zürcher Plänen mit Rem Koolhaas im Schwange waren. Dass die Baukosten nicht von der Öffentlichkeit getragen werden, ist jedenfalls die beste Nachricht an dem Deal. Denn wenn dies in aller Konsequenz wahr ist – selbst dann also, wenn die Kosten für den Neubau wieder einmal viel höher sein werden als ursprünglich geplant –, dann darf sich Berlin sieben Jahre lang einer recht preiswerten Sonderausstellung zeitgenössischer Kunst erfreuen.

Zwar zahlt die Nationalgalerie für die Halle eine Miete an die Immobilientochter der DB, doch die soll „symbolisch“ sein, wie Christina Weiss sagte. Eine „Kulturmiete“ eben, wie Peter Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen, sagte und sogleich von einem Abendessen mit Herrn Mehdorn, dem Bahnchef, schwärmte, bei dem dieser mit der Miete immer weiter runter ging (wahrscheinlich je teurer die Flasche Wein wurde, die man trank). Die Präsentation der Sammlung wird unter der Regie von Eugen Blume, Kurator am Hamburger Bahnhof, erfolgen. Dazu soll das ihm unterstellte Team personell verstärkt werden. Es wird also kein Flick-Museum in Berlin geben, sondern – so der offizielle Name der Verbindung – die „Flick Collection im Hamburger Bahnhof“.

So weit, so glimpflich. Ob mit von einem Konzept für die zeitgenössische Kunst in Berlin die Rede sein kann, ist allerdings weiterhin fraglich. Eher schaut die Sache nach Reparatur aus. Denn die Sammlung Marx hat so große Schwächen, dass der Hamburger Bahnhof nie die Anziehungskraft bekam, die ihm einst vollmundig zugesprochen wurde. Es ist schlicht mehr als notwendig, hier zu ergänzen. Dass dies nun stets gleich im Ausmaß einer ganzen Sammlung geschehen muss, ist falsch und liegt an der Konzeptionslosigkeit der Museumsleitung.

Über die Sammlung Flick muss das Urteil weiterhin ausstehen, trotz einer Auswahl der gesammelten Arbeiten im Presseverteiler. Flick rühmt sich einer Sammlung mit Akzent auf politisch engagierter Kunst. Doch im Streit über sein Zürcher Bauvorhaben zeigte sich: Künstler – von Künstlerinnen kann bei seiner Sammlung nicht die Rede sein – sind nicht politisch, Künstler sind feige. Keiner der von ihm Gesammelten meldete sich in der Debatte über Flicks Verantwortlichkeit gegenüber seinem aus der Nazizeit belasteten Erbe zu Wort oder bezog gar Stellung für Flick. Keiner ergriff die Gelegenheit, sich als Teil einer kunstinteressierten Öffentlichkeit zu definieren, die zur Verantwortung von Sammlern, Museums- und Kulturleuten dieser Öffentlichkeit gegenüber Fragen hat und Anforderungen.

BRIGITTE WERNEBURG