Schwertkämpferin im Anflug

Von der Action-Heldin zur Autorenfilm-Muse: Maggie Cheung ist eine der wandlungsfähigsten Schauspielerinnen Hongkongs. In Zhang Yimous opulentem Martial-Arts-Märchen „Hero“ im Wettbewerb spielt sie nun wieder eine klassische Kung-Fu-Rolle

von DANIEL BAX

Wäre Hongkong ein Gesicht, dann sähe es aus wie das von Maggie Cheung, lässt Olivier Assayas in „Irma Vep“, seiner Hommage an die Heldinnen des Hongkong-Actionfilms wie auch das frühe europäische Kino, einen Nouvelle-Vague-Regisseur über seine Hauptdarstellerin schwärmen und meint damit: schön, mysteriös, modern. Das sagt nicht nur etwas über Maggie Cheungs Status als Ikone des Hongkong-Kinos aus. Es wirft auch ein Licht auf die seltsame Liebe des europäischen Autorenfilms zum schrill-spektakulären Hollywood Ostasiens, die durchaus auch von exotischen Projektionen geprägt ist.

Einem Arthouse-Publikum im Westen ist Maggie Cheung vor allem durch die Filme von Wong Kar-Wei ein Begriff, zuletzt erleuchtete sie „In the Mood for Love“ mit zarter Mimik. Daneben hat sich die heute 38-Jährige in über 70 weiteren Hongkong-Produktionen behauptet, darunter diversen „Police Story“-Folgen an der Seite von Jackie Chan. Während die einstige Miss Hongkong aber früher im Schnitt an einem guten Dutzend Filmen pro Jahr mitwirkte, beschränkt sie sich seit Mitte der Neunziger auf ein, zwei Filme im Jahr. Und seit sie nach „Irma Vep“ den Regisseur Olivier Assayas geheiratet hat, wird sie in Paris, wo sie heute wohnt, auch schon mal auf der Straße erkannt.

Gerne würde sie ihre Präsenz im Westen weiter ausbauen. „Ich hätte nichts dagegen, von David Lynch entdeckt zu werden“, gesteht sie, als sie zur Berlinale im Hotel Adlon Hof hält, die Haare zu einem Art Afro-Ballon hochfrisiert. Mit ihrer neuesten Rolle ist sie aber erst mal wieder zu einer klassischen Figur des Hongkong-Kinos zurückgekehrt, verkörpert sie doch eine fliegende Schwertkämpferin. Dabei verfüge sie selbst, was die Kampfkunst betrifft, über kaum mehr als nur Basiswissen, gibt Maggie Cheung freimütig zu: Ihre Flugkünste seien Stuntfrauen sowie der neuesten Computertechnik zu verdanken. Früher, plaudert sie aus dem Trickkästchen, hätte man solche Szenen ja im Wald gedreht, um die dünnen Drähte zu verbergen, an denen die Schauspieler hingen. Heute dagegen steckten die Schauspieler in stabilen Westen, was die Gefahr reduziert habe, in den Ästen hängen zu bleiben. Seit ihr bei den Dreharbeiten zu „Police Story 2“ eine schwere Steinplatte auf den Kopf fiel, weiß Maggie Cheung um die Gefahren am Set.

Fünf Jahre ist es her, da war Maggie Cheung als Jury-Mitglied zuletzt in der Stadt. Nun ist sie zurückgekehrt in Begleitung des Berlinale-Stammgasts Zhang Yimou, der seit seinem Einstand mit „Das Rote Kornfeld“ vor gut fünfzehn Jahren noch fast jeden neuen Film in Berlin vorgestellt hat. Sein neues Werk „Hero“ fällt aber, trotz gewohnt opulenter Farbgebung, ein wenig aus dem gewohnten Rahmen, ist es doch Zhang Yimous erster Kung-Fu-Historienfilm. In diesem Martial-Arts-Märchen spielt Maggie Cheung einen der drei Attentäter, die einem Tyrannen nach dem Leben trachten. Der Film basiert auf der Legende um den grausamen Kaiser Qin, der im 3. Jahrhundert v. Chr. sechs verfeindete Fürstentümer unterwarf und China damit erstmals zum Großreich vereinigte. „Er wird als brutal und skrupellos erinnert“, weiß Maggie Cheung um die Ambivalenz der historischen Figur. „Trotzdem halten ihm die meisten Chinesen zugute, dass er Sprache und Kultur vereinheitlicht und das Land vereinigt hat.“ Staatliche Einheit über alles? Maggie Cheung beeilt sich, solche Deutungen abzuschwächen. Es gehe in „Hero“ auch darum, wie unterschiedliche Erzähler die gleiche Geschichte in einem unterschiedlichen Licht erscheinen ließen. Und um die Frage, wer eigentlich ein Held sei: Der, der Rache übe? Oder der, der höherer Einsicht zuliebe auf Rache verzichte?

Solchen philosophischen Feinheiten zum Trotz, war „Hero“ in China bereits ein großer Kassenerfolg, übertroffen nur vom Blockbuster „Titanic“. Eine Bestätigung für Zhang Yimou, der früher ja einmal als Außenseiter galt, vom Parteiestablishment kritisch beäugt. Und ein großer Erfolg für Maggie Cheung, die damit erstmals in einer VR-chinesischen Produktion vor der Kamera stand. Noch macht die Unterscheidung ja Sinn, obwohl man „Hero“ die Herkunft nicht mehr so deutlich ansieht: Die ruhige, epische Handschrift Zhang Yimous ist einem schnelleren Tempo gewichen, das eher für HongKong-Produktionen typisch ist.