Die Männerbuchschreiber

Topfit und macho, schlapp und verletzlich: Frank Goosen, Mani Beckmann und Daniel Bielenstein wenden sich mit ihren neuen Romanen sehr gezielt an ein männliches Publikum zwischen 30 und 40

von GERRIT BARTELS

Männer zwischen 30 und 40 haben es nicht leicht. Der eine ist samstagabends einmal nicht in einer coolen Bar, sondern allein zu Haus. Er bekommt eine Depression, starrt das Telefon an und denkt: Könnte es nicht sein, dass in diesem Moment eine tolle Frau da draußen ebenfalls ihr Telefon anstarrt und an mich denkt? Ein anderer kehrt nach einer mehrwöchigen berufsbedingten Abwesenheit zurück in sein muffiges Zuhause und findet in seiner Post einen Brief vor, der ihn mit längst verdrängten, privaten Zwistigkeiten aus seiner Vergangenheit konfrontiert. Und ein dritter ist gerade von seiner Frau verlassen worden und wird dann noch Opfer eines dilettantisch ausgeführten Sprengstoffanschlages. Wenigstens ein Sprüchlein aus den Tagen seiner Jugend spendet Trost: „Ich habe das alles schon tausendmal gesehen. Ich kenne das Leben, ich bin im Kino gewesen.“

Es gibt natürlich viel mehr Beispiele für Schwierigkeiten, die Männer in besagtem Lebensalter so haben, seien sie nun beruflicher oder privater Natur, seien es erste handfeste Sinnkrisen oder Vorboten beginnender Mittellebenskrisen. Die drei genannten jedoch stammen aus neuen Romanen von Daniel Bielenstein, Frank Goosen und Mani Beckmann, aus „Die Frau fürs Leben“, „Pokorny lacht“ und „Filmriss“, und sie bilden als deren Intros die Basis dieser sich in Form und Inhalt stark ähnelnden Romane. Sie alle lassen sich leicht lesen, sind konventionell erzählt und bis zur Schmerzgrenze flott geschrieben. Da müssen Pizza und Pasta „ihr Leben lassen“, da gibt es einen Menschen, der vom „Fußball so viel versteht wie Milosevic von Menschenrechten“, oder einen anderen, der hungrig ist und dessen „Magenwände wie Eisenfeilen aneinander reiben“. Auch nicht unwichtig: die Zubereitung von Milchkaffee, das Trinken von Latte Macchiatos in Cafés oder die Besuche von In-Restaurants und Achtzigerjahre-Diskotheken.

Im Zentrum aber steht das mal mehr, mal weniger turbulente Beziehungsleben der männlichen Helden, das aufbereitet wird als „lässige Unterhaltung ohne Schmalzfaktor“ (so die Verlagswerbung für Bielensteins Roman). Vorbild sind natürlich die Romane von Nick Hornby, Sven Regener oder das Debüt von Frank Goosen. Ging es in diesen aber viel um spätpubertierende Selbstvergewisserungen und popistische Selbstfindungen von sympathischen Losertypen, so ist jetzt die Zeit der ersten richtigen Krisenbewältigungen: Die einstigen Loser sind gestandene Männer und haben zumindest einen leidlich zufrieden stellenden Beruf. Dieser ist aber nur die halbe Miete, wenn es privat nicht stimmt oder das psychische Gleichgewicht aus dem Takt gerät. Wenn es, wie bei Bielenstein, einem Single plötzlich um die Frau fürs Leben geht, oder, wie bei Goosen und Beckmann, Jugend- und Männerfreundschaften zu einem Problem werden und ihrer Wiederaufarbeitung harren.

Man könnte sagen, hier haben männliche Mitdreißiger sehr zielgerecht Romane für ihre Altersgenossen geschrieben; Bücher, die aber auch Frauen gefallen könnten, weil sie hier viel von ihren eigenen Männern wiederfinden. Bücher, die man als Antwort auf Frauenzeitschriftenbüchern wie „Im Kühlschrank brennt immer ein Licht“ oder „Champagner, News und Liebesträume“ lesen kann. Männerzeitschriftenbücher, Lifestyle-Literatur. So wie FHM oder Amico ihren Lesern treu zur Seite stehen mit ihrem Körperkult und „Frauen, die uns Spaß machen“, aber auch mit Tipps zum Flirten und für die Karriere, und dabei ein Männerbild vermitteln, das zwischen topfit und macho pendelt, zwischen Wirklich-Tipps-nötig-Haben und Verletzlich-sein-Dürfen, so lassen sich die Männerbuchschreiber gleichfalls nicht lumpen.

Ihre Hauptfiguren arbeiten erfolgreich im Medienbetrieb, ihre Herzensangelegenheiten aber lassen zu wünschen übrig. Trotzdem haut sie das nicht so um, als dass nicht immer noch ein Witz abfallen könnte, noch öfter aber neue Frauen, die auf unsere Helden geradezu zu fliegen scheinen. Selbst schlechtes Aussehen, schlechte Laune und dumme Sprüche gehen anscheinend in Ordnung. Solcherart gestärkt stellt der Mann sich dann gern den Anforderungen alter, eigentlich überwundener Beziehungsgeschichten. Wie früher sich den Mund abzuputzen und dann zu schweigen ist nicht mehr: Lieber rein ins Psychogetümmel, vielleicht hilft’s.

So gibt der gut beschäftigte Kabarettist Friedrich Pokorny in Goosens „Pokorny lacht“ all seinen Erinnerungen eine Chance, als ihn die Essenseinladung seines Exfreundes Thomas Zacher erreicht. Dabei weicht Goosen nicht eine Zeile von seinem „Liegen lernen“-Erfolgsrezept ab, was man als solides Handwerk bezeichnen kann, aber auch als etwas hölzern: Nach einer kurzen Ouvertüre erzählt er chronologisch seine Geschichte einer zwischen Rivalität und Treue pendelnden Freundschaft. Diese beginnt im Grundschulalter, setzt sich auf dem Gymnasium und während des Studiums fort und bekommt ihre Risse, besonders wenn es um Frauen geht. Als Pokorny und Zacher schließlich um Ellen wetteifern, kommt es zum Bruch. Nach einem Problemgespräch unter Dreien wird Ellen auf der Straße überfahren und sprichwörtlich zwischen den Männern zerrieben: hinter ihr am Fenster Zacher, vor ihr auf der Straße Pokorny – so viel Symbolik muss sein, das verstehen auch Frauen nur zu gut. Am Ende geben sich beide Männer gegenseitig die Schuld an Ellens Tod.

Man mag Goosen zugestehen, dass er sehr schön bestimmte Milieus auszuleuchten weiß, erst ein kleinbürgerliches, später ein studentisches. Ja auch, dass die Freundschaftsproblematik hin und wieder hell durchblitzt, und dass es ihm gelingt, Pokornys Verdrängungsleistungen gut darzustellen: Immer ein Witz auf den Lippen, der Mann. Da kennt sich Frank Goosen als gelernter Kabarettist ja aus. Doch gerade im zweiten Teil des Buches, als Pokorny endlich in der Gegenwart ist, scheint es Goosen nur noch um Pointen und komische Volten zu gehen, nicht mehr um komplexe Charakterisierungen. That’s entertainment. Erst die Arbeit, dann die Abstrusität.

So wird der früher eher ungelenke Pokorny, der verheiratet ist und einen Sohn hat, aber in Trennung lebt, zum Frauenheld, der auf seinen Tourneen unzweideutige Angebote von unbefriedigten, älteren Frauen bekommt: Goosen beginnt bezeichnenderweise den zweiten Teil seines Buches damit. Nach diesen der Eitelkeit förderlichen Erfahrungen landet dann Pokorny mit der 20-jährigen Kristina im Bett. So was gibt es, älterer Mann, junges Mädchen, bekommt von Goosen aber die besondere Note: Kristina ist die Tochter der neuen Freundin seines Exfreundes Zacher, die der verstorbenen Ellen wie aus dem Gesicht geschnitten gleicht. Was für Verstrickungen! Zacher, der eine Frau hat, nur weil deren Tochter ihn an Ellen erinnert. Und Pokorny, der wieder seinen Penis vorn hat. Was für ein Kerl! Potz Blitz! Wenn schon Gebrochenheit, dann muss sie sich wenigstens gut anfühlen. Wenn schon Psycho-Hölle, dann soll auch Spaß dabei abfallen! Das Männerzeitschriftenprinzip eben: Das Bedürfnis nach Ratschlägen ist da, aber Bestätigung muss sein. Geht noch klar mit dem Aussehen, den Interessen, den Frauen, oder?

Insofern wird auch Gregor Hamdorf, der Klatschreporter in Daniel Bielensteins „Eine Frau fürs Leben“, nicht von existenziellen Selbstzweifeln geplagt. Als Single-Mann hatte er ja selbst Sabine Christiansen auf seinem Schoß sitzen! Doch warum nicht die eine große Liebe kennenlernen und heiraten? Ein Single-Report, den er mit seiner Lieblingskollegin Konstanze machen soll, kommt ihm nur zu recht, so lässt sich das Ganze gleich leichter an: Männerphantasien galore. Hamdorf begegnet dann dem gesamten Spektrum paarungswilliger, paarungsunwilliger und gepaarter Großstädter: Männliche Singles, weibliche Singles, Väter, die mit Kinderwagen joggen gehen, unglückliche Väter, alte Ehepaare und so weiter. Hamburg bei Tag, wie es durch und mit den Medien leibt und lebt. Selbst wenn diese Welt eine fremde und hermetische ist, dürfte sich der Mann in Prenzlauer Berg, Cottbus und Bochum angesprochen fühlen, denn Bielenstein tut so, als sei ihm keine Männer- und Frauenregung fremd. Dass die Frau fürs Leben die Lieblingskollegin ist und „Eine Frau fürs Leben“ eine Art „Harry und Sally“ für Arme, wird früh klar und erfüllt natürlich seinen Zweck: Das kennen wir alle nur zu gut! Die Traumpartner sind nie so weit weg wie immer vorgestellt!

Sind nun Goosens und Bielensteins Bücher mit Auflagen von 25.000 und 50.000 die Spitzentitel ihrer Verlage (mit entsprechendem Werbeaufwand), so scheint Mani Beckmann dagegen die Arschkarte gezogen zu haben, wie Männer gern mal sagen. „Filmriss“ ist vordergründig nämlich ein Krimi und erscheint in einem Krimiverlag. Dabei könnte selbst dieses Buch gut mit Sprüchen wie „Mondscheintarif für Männer“ oder „Männer 2003: zwischen Anspruch, Romantik und Wirklichkeit“. beworben werden. Denn sein Held, der Filmjournalist Albrecht, ist während der Berlinale nicht nur mehreren Anschlägen auf sein Leben ausgesetzt, er muss sich auch mit dem neuen Freund seiner Exfrau, einem Ostberliner Chefarzt, und seinem alten Kumpel Jupp herumschlagen, mit dem er einst in einer Punkband gespielt hat, und der ihn zur Berlinale regelmäßig aufsucht.

„Filmriss“ ist so ein Roman über zwei unterschiedliche Männer mit unterschiedlichen Lebensentwürfen: Jupp ist Provinzler, für Albrecht aber ein Nonkonformist. Albrecht dagegen ist bärbeißig, aber weltläufig, er hat es in Berlin „geschafft“. Im Gegensatz zu Jupp sind für ihn die alten Zeiten und alten Ideale genau das: alt. Aber eben nicht aus der Welt, denn Jupp ist da, und ihm, so viel sei verraten, gelten die Anschläge, die auf einem schrecklichen Vorfall bei einem Punkkonzert in den Achtzigern basieren.

Natürlich besteht Niemeyer sein Abenteuer, natürlich läuft ihm schnell eine neue Frau über den Weg. Für ihn hat die Geschichte kathartische Wirkung, selbst dem Verlust seines Jobs (Medienkrise!) weiß er Positives abzugewinnen. So muss es sein in Büchern wie diesen: Dem totalen Scheitern solcher zu vielen Identifikationen einladenden Männerfiguren möchte niemand gern beiwohnen. Das wäre, als würden Männermagazine plötzlich Schwabbelbäuche auf dem Cover haben. Also: Hopfen und Malz sind nie verloren. Und so zieht auch Goosens Pokorny die richtigen Lehren. Er will sich mehr um seinen halbwüchsigen Sohn kümmern – die Geschichten von Väter und Söhnen wollen schließlich eines Tages auch lässig erzählt sein.

Frank Goosen: „Pokorny lacht“. Eichborn, 223 S., 19,90 €; Daniel Bielenstein: „Die Frau fürs Leben“, Argon, 310 S., 18 €; Mani Beckmann: „Filmriss“, berlin.krimi.verlag, 262 S., 9,90 €