barbara dribbusch über Frauentag
: Zicken in der Gefälligkeitsfalle

Gar nicht so einfach, richtig böse zu werden. Ein Selbstversuch mit aktuellen Frauen-Ratgebern

Den Trick von Jeanne d‘Arc kann ich schon mal vergessen. Weiße Klamotten machen mich nämlich zu blass. Dabei rät Harriet Rubin, dass Frauen, die Macht wollen, helle Kleidung tragen sollen. „Jeanne d‘Arc trug in der Schlacht Weiß, um groß und auffällig zu erscheinen.“ Ich würde mich lieber in Olivgrün hüllen. Man weiß ja, wie das mit Jeanne d‘Arc endete.

Schon die Klamottenfrage erweist sich offenbar als schwierig, wenn Frauen siegen wollen. Ich fange deshalb lieber von vorne an und durchforste Frauen-an-die-Macht-Ratgeber, um „jeden Tag ein bisschen böser“ zu werden, wie Ute Ehrhardt rät.

Sie wartet dazu mit praktischen Übungen auf. Ich soll auflisten, was ich mich künftig mehr trauen will. Auf der Liste könnte demnach stehen: „Karriere machen, den Männern im Büro häufiger widersprechen, meine Seidenmalerei ausstellen.“ Gar nicht so einfach, wenn man nicht seidenmalt und die Männer im Büro schweigsamer sind als die Frauen. Vielleicht klappt‘s besser mit dem „Tagebuch des Erfolges“, das Ehrhardt vorschlägt. Sie nennt auch gleich Beispiele: „Die Hausarbeit in 1,5 Stunden geschafft. Dem eigenen Mann widersprochen.“ Ah ja.

Es ist einfach, sich über solche Ratschläge lustig zu machen. Doch irgendwo muss es offenbar Frauen geben, für die es tatsächlich einen Riesenfortschritt bedeutet, dem eigenen Mann zu widersprechen. „Prüfen Sie, ob Sie in der Gefälligkeitsfalle sitzen“, rät Ehrhardt weiter, „gewähren Sie zwei Tage lang keinerlei Gefälligkeiten, weder Freund noch Feind.“ Schluss mit der Gefallsucht! Das betrifft endlich auch mich. Denn eigentlich, wenn ich mal ehrlich bin, würde ich schon auch gefallen wollen. Nur halt nicht durch Hausarbeit oder Seidenmalerei. Aber eine Mischung aus Condoleezza Rice und Jennifer Lopez, mächtig sein und verführerisch, das wäre es. Ich will keine „Magersüchtige der Macht“ sein, wie sie Harriet Rubin beklagt, sondern „gleichzeitig Liebende und Kriegerin “.

Doch die Verquickung ist schwer. Rubin wagt sich weit vor. Wenn Männer im Job angreifen, so ihr Tipp, sollten sich Frauen des ganzen Arsenals ihrer weiblichen Waffen bewusst werden. „Lenken Sie ab mit Dichtung, mutigen Taten, Geschichten, Liedern.“ Die Frauen irgendeines Volksstammes hätten das schließlich auch getan, als sich männliche Gegner näherten.

Frauen sollen auf ihrer ganzen Klaviatur spielen. Auch Tränen im Job seien manchmal erlaubt, so Rubin: „Eine Frau, die keine Angst hat zu weinen, stärkt ihre Gegenwart.“ Und das Körperliche ist sowieso wichtig. „Werden Sie zur totalen Verkörperung dessen, was Ihr Gegner fürchtet. Ihr Chef hat Angst vor Weiblichkeit? Dann besteht Ihre Herausforderung darin, besonders feminin und professionell aufzutreten.“

Feminin. Professionell. Ich hab‘s gewusst. Eine Frau, die gewinnen will, muss die Regeln der Männerwelt beherrschen, um sie brechen zu können. Betonen Imageberaterinnen ja immer wieder. Mir bricht der Schweiß aus. Was für ein Stress, um ein bisschen Macht zu erlangen.

Angenommen, nur mal angenommen, ich hätte gar keine Lust, mir über das Innenleben irgendeines Chefs so viele Gedanken zu machen? Ich bin ihm doch auch egal. „Werden Sie egoistisch!“, hat die Ehrhardt schließlich geraten. Genau. Und was tut die Frau, die nach oben will? Sie „weckt die Zicke“ in sich – rät US-Autorin Elizabeth Hilts.

Das „toxische Lieb & Artig-Syndrom“ ist uns dabei im Weg, hat Hilts festgestellt. Leide ich am Lieb & Artig-Syndrom? Hiltssche Testfragen: „Wolltest du jemals jemandem die Meinung geigen und hast stattdessen ein Stück Kuchen gegessen?“ Ich esse viel Kuchen. „Hast du jemals gesagt: ‚Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist?‘“ Gesagt hab ich es nicht, aber gedacht ziemlich oft. „Entschuldigst du dich oft?“ Schon. Ich leide am „toxischen Lieb & Artig-Syndrom“. Nicht nur gegenüber Männern, auch gegenüber Frauen.

Zeit, die „Zicke“ in mir zu wecken. Ich bin nicht nett: Als Erstes mache ich schon mal die Bestseller von Autorinnen herunter, die anderen Frauen helfen wollen, sich ein bisschen stärker und mächtiger zu fühlen. Ich tu so, als wär ich was Besseres. Alter Trick unter Frauen übrigens. „Vielleicht werden wir uns nie mit Frauen befreunden, deren innere Zicke wir erkennen, aber das ist unwesentlich“, beruhigt mich Hilts. „Eine Begegnung zwischen Zicken kann eine Offenbarung sein. Was könnte es schließlich Besseres geben als doppelt verstärkte Zicken-Qualitäten? Oder dreifach, vierfach, vielfach verstärkt?“ Genau. Zickenbücher und ich – es passt doch zusammen.

Noch Tipps für Zicken? kolumne@taz.de