DIE PALÄSTINENSISCHEN DEMOKRATEN HABEN ERSTMALS EINE ECHTE CHANCE
: Der Konsens-Kandidat

Selten waren sich Palästinenser und Israelis so einig. Den Geschäftsmann aus Nablus Monib al-Masri, den sich Palästinenserchef Jassir Arafat zum künftigen Ministerpräsidenten auserkoren hatte, wollte man nicht. Der milliardenschwere Kandidat hatte nicht nur keinerlei politische Errungenschaften vorzuweisen, er war zudem nicht Mitglied der Fatah. Das hatten die palästinensischen Minister zu einer ihrer Bedingungen gemacht. Die Israelis hingegen störten sich an der engen Freundschaft Arafats zu seinem Favoriten.

Mit Mahmud Abbas, alias Abu Masen, sind nun alle zufrieden. Über den Mitbegründer der Fatah, der niemals direkt an Gewalt gegen Israelis beteiligt war, sondern den Frieden stets voranzutreiben suchte, herrscht Konsens. Und das nicht zu Unrecht. Abu Masen ist genau der Realist und Pragmatiker, den die Palästinenser heute brauchen. Vorausgesetzt, er bekommt die mit seinem künftigen Amt einhergehenden üblichen Kompetenzen.

Eine Degradierung Arafats auf einen strikt repräsentativen Posten müsste selbst seine ärgsten Gegner in Jerusalem, die wiederholt einen Landesverweis für ihn forderten, verstummen lassen. Die Amerikaner könnten dem alternden Volksführer erneut den roten Teppich vor das Weiße Haus legen, und in den Palästinensergebieten hätten die Demokraten zum ersten Mal eine echte Chance.

Verhandlungen mit Israel möchte Abu Masen führen, nur unter dieser Bedingung, würde er das Amt annehmen. Nicht länger als Bote, sondern als der vom Volk Beauftragte die Entscheidungen treffen, zu denen Arafat nicht in der Lage war. Hätte er schon vor zwei Jahren den Posten des Regierungschefs innegehabt, wäre der Ausgang der Verhandlungen in Camp David vermutlich ein anderer gewesen.

Mit Abu Masen bekäme Israel endlich den Partner, an dem es ihm seit Jahren mangelte. Ob die Palästinenser das auch von sich behaupten können? Camp David ist passee, heißt es in Jerusalem. Eine Chance, die verpasst wurde und die nicht wiederkommt. 14 der 24 Minister lehnen selbst das krüppelhafte Staatengebilde ab, das Regierungschef Ariel Scharon für eine erneute Interimslösung vorschlägt. Bis heute bleibt unklar, was mit den „schmerzhaften Kompromissen“ gemeint ist, die Scharon wiederholt für den Endstatus in Aussicht gestellt hatte. Zumindest ist Abu Masen bereit, diesen Fragen nachzugehen. Und Scharon, der in jüngerer Vergangenheit wiederholt mit seinem Amtskollegen in spe zusammengetroffen war, würde an Glaubwürdigkeit einbüßen, sollte er Verhandlungen weiterhin ablehnen. SUSANNE KNAUL