BUNDESBAHN: MEHDORNS NEUE TARIFE SIND GESCHEITERT
: Der Rumsfeld des Schienenverkehrs

Mangelnde Konfliktfreudigkeit muss sich der Mann nicht vorhalten lassen. Die Verbraucherministerin? Sie bekommt „nicht viel auf die Reihe“, sagt Bahnchef Hartmut Mehdorn. Die Eisenbahnergewerkschaft braucht „einen neuen Vorstand“, beim Fahrgastverband versammeln sich die „Pro-Mecker-Leute“, die angesehene Stiftung Warentest agiert „höchst populistisch“. Und wem das Personal am Bahnschalter zu unfreundlich ist, der soll doch ins Reisebüro gehen, wo „hübsche, junge Damen“ auf ihn warten.

An Warnungen hat es nicht gefehlt, als Mehdorn im Dezember das neue Tarifsystem der Bahn einführte. Er hat es trotzdem getan – und geriert sich jetzt, wo sich das Unternehmen als Fehlschlag entpuppt, wie ein Donald Rumsfeld des deutschen Schienenverkehrs: Unflätig beschimpft er jene Hasenfüße unter den Politikern oder der eigenen Kundschaft, die seine Durchhalteparolen nicht mehr hören wollen.

Auch mit den jetzt angekündigten Nachbesserungen bleibt Mehdorn bei seinem falschen Konzept, nur dass er mit den neuen Sonderangeboten den Materialeinsatz erhöht. Denn die Höhe der Fahrpreise ist für die abgesprungenen Kunden gar nicht so sehr das Problem. Schließlich war es ihnen in den meisten Fällen noch gar nicht gelungen, den günstigsten Preis für eine geplante Reise in Erfahrung zu bringen. Genau darin liegt der entscheidende Nachteil der neuen Tarife: Sie sind schlicht undurchschaubar. Den Bahnmanagern ist das Kunststück gelungen, ein Preissystem zu erfinden, das noch komplizierter ist als das alte. Daran ist es gescheitert, wie die drastischen Umsatzrückgänge im ersten Quartal zeigen.

Allerdings ärgert sich Mehdorn zu Recht darüber, dass ausgerechnet Verbraucherministerin Renate Künast die Bahn am schärfsten kritisiert. Schließlich ist sein Unternehmen noch immer in Staatsbesitz, die Bundesregierung hat also in letzter Konsequenz das Sagen. Nachdem sie den Bahnchef bei der Einführung des neuen Systems gewähren ließ, sollte die Koalition jetzt tunlichst schweigen. RALPH BOLLMANN