Sturm auf das Lehramt

Die „neue Generation“ der Lehramtsstudenten in Bremen: Immer mehr junge Leute entscheiden sich für die universitäre Schulmeisterausbildung, aber längst nicht alle wollen später unterrichten

Viele schreiben sich erst mal ein, obwohl sie überhaupt keinen Plan haben

taz ■ “Da durchzusteigen ist schon schwierig“, stöhnen die Erstsemester, die an der Uni Bremen Lehramt studieren – und meinen die Prüfungsordnung. „Bis man alle dort geforderten Veranstaltungen im Stundenplan untergebracht hat, hat man ordentlich zu tun“, sagt Ines Rosemann, frisch gebackene Biologie- und Deutsch-Studentin.

Wer Lehrer werden will, hat ein strammes Uni-Programm vor sich. „Wir lernen dasselbe wie die Diplomstudenten – und dazu Erziehungswissenschaften“, erklärt Christian Schnoink, ein Kommilitone, den Stress. Da fühlt sich mancher überfordert.

Irgendwie geht es allen Erstsemestern ähnlich: Man lernt unendlich viele fachspezifische Details – nur nicht, wie man eine Schulklasse unterrichtet. „Der Stoff ist zwar interessant, aber wir werden das alles nie mehr brauchen“, schätzt auch Stelle Oppelland. Sie will gar nicht erst Lehrerin werden – den Studiengang hat sie nur wegen der für sie interessanten Fächerkombination Deutsch / Politik gewählt. Auch Erziehungswissenschaften findet sie spannend. Eine solche Vielfalt gebe es in keinem anderen Studiengang, sagt Oppelland. Doch nach dem Examen will sie einen anderen Weg einschlagen: „Man kann so vieles machen mit diesem Studium“, ist sie sicher, wenn auch noch unentschieden.

Der Trend geht zum Lehramt. Im vergangenen Wintersemester haben sich dafür besonders viele Studenten an der Bremer Uni immatrikuliert. „Wir haben etwa 50 Prozent mehr Lehramtsstudenten als im letzten Jahr“, sagt Burkhard Sachse, Professor für Didaktik der Geschichte an der Uni und praktizierender Lehrer an der Schule Julius-Brecht-Allee.

Viele Erstsemester schrieben sich erst mal für irgendeinen Studiengang ein, da sie überhaupt noch keinen Plan hätten, was sie werden wollten. Dabei falle die Wahl häufig auf ein Lehramtsstudium, weil der Beruf des Lehrers den frisch gebackenen Abiturienten am vertrautesten sei. Im letzten Semester allerdings sei die Quote der Neuzugänge besonders heftig gestiegen. „Man hat gehört, dass viele Stellen frei werden“, sagt Nermin Sali. Der Geschichtsstudent weist auf den Generationswechsel hin, der an vielen Schulen bevorsteht. Auch Christian Schnoink rechnet mit einem sicheren Arbeitsplatz. In Sachses Kurs „Einführung in das Berufsbild Geschichtslehrer“ lernt er jedoch schnell die Realität kennen. „Der Kurs ist speziell für Erstsemester gedacht, damit die ihren Berufswunsch noch mal hinterfragen können“, so Sachse.

Vom „neuen Kind“, dem das Konzentrieren schwer falle, ist die Rede, von der Konsumgesellschaft, dem Egoismus. Warum will dann noch jemand Lehrer werden? Nach einer Umfrage von 1985 hat sich vor allem die Einstellung zum Unterrichten verändert. Viele ehemalige Schüler wollten den besten Lehrern an ihren eigenen Schulen nacheifern und so das Lehr-Niveau erhöhen. Neu dazugekommen sei seit 1985 ferner die Sehnsucht nach guter Bezahlung und einem sicheren Arbeitsplatz.

Einen besonderen Ehrgeiz nach dem deutschen PISA-Desaster allerdings lässt kaum einer der „Neuen“ erkennen. Das Problem des schlechten Unterrichts sehen alle eher in den Strukturen von Ausbildung und Schulsystem, weniger bei sich selbst. Kein Wunder, werden den Erstsemestern an der Uni doch motivierende Seminare angeboten wie das folgende: „Richtige Erziehung - was das ist und warum es nicht geht“.

Ann Kristin Barth