„Von der Parteispitze veräppelt“

Juso-Chef Niels Annen glaubt, dass die Rürup-Vorschläge auf Kosten der Jungen gehen

taz: Herr Annen, haben Sie schon eine Riester-Rente?

Niels Annen: Nein.

Es wird Zeit – Sie werden sie dringend brauchen.

Richtig. Das ist ja das paradoxe an diesen Rentenvorschlägen: Die Jungen werden doppelt belastet. Zum einen müssen sie privat vorsorgen, zum anderen zahlen sie für eine staatliche Rente, die immer weniger wert wird.

Wichtigster Punkt ist der „Nachhaltigkeitsfaktor“, der Renten an die eingezahlten Beiträge koppelt.

Da fühle ich mich von meiner Parteispitze veräppelt. Faktisch werden hauptsächlich die jetzt jungen Menschen die Reform bezahlen. Wir wehren uns auch gegen die pauschale Absenkung des Rentenniveaus. So etwas zerstört die Akzeptanz des staatlichen Rentensystems – gerade bei der Jugend.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie?

Es macht sich Frust breit. Andererseits wollen wir uns nicht frontal gegen „die Alten“ stellen. Nur: Ein Generationenprojekt muss alle einbeziehen. Wir müssen die Sozialsysteme solidarisch finanzieren, nicht die schwerste Last bei einer Generation abladen.

Zum Beispiel, indem man jetzige Rentner belastet?

Eine soziale Abstufung wäre natürlich Bedingung: Es gibt große Unterschiede zwischen Bezügen von Männern und Frauen, es gibt viele Sozialrentner. Aber hohe Renten müssten tatsächlich stärker herangezogen werden.

Das reicht natürlich nicht.

Andere Berufsgruppen, etwa Beamte und Selbstständige, müssten auch in die Rentenkasse einzahlen. Die Regierung kann nicht mit dem Hartz-Konzept Selbstständigkeit fördern und das bei den Sozialsystemen außen vor lassen. Auch Einkommensarten wie Kapital- und Mieterträge müssen eine Rolle spielen.

Laut Rürup sollen alle bis 67 arbeiten, zahlen also länger ein. Das gleicht Renteneinbußen aus, glaubt er – zu Recht?

Dann könnte man das Eintrittsalter auch auf 90 Jahre erhöhen. Aber im Ernst: Real drängen Firmen ihre Leute heute mit 59 aus dem Job, offizielles Rentenalter ist 65. Mit den Agenda-2010-Vorschlägen wird es immer schwieriger, die Zwischenzeit zu überbrücken. Eine Erhöhung auf 67 Jahre, die übrigens auch voll die heute 30-Jährigen trifft, öffnet eine Armutsfalle.

Ihr Gegenvorschlag?

Im Moment ist der Arbeitsprozess zwischen 35 und 50 Jahren extrem verdichtet, dass muss man entzerren. Wenn wir Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten, die Frauenerwerbstätigkeit erhöhen, Männern Anreize zur Kindererziehung geben – erst dann kann man über längere Lebensarbeitszeit diskutieren.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE