Kein Dialog mit Aung San Suu Kyi

Birma wartet auch nach der Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin auf Reformen

BANGKOK taz ■ Heute vor genau einem Jahr ist Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest freigelassen worden. 19 Monate hatte die Führerin von Birmas „Nationaler Liga für Demokratie“ (NLD) in ihrem zweiten Hausarrest verbracht. Fast pünktlich zum heutigen Jahrestag ließ die regierende Militärjunta 21 politische Aktivisten frei, darunter NLD-Mitglieder und den Wissenschaftler Salai Tun Than. Suu Kyis Freilassung hatten damals viele Beobachter als Aufbruch gewertet. „Das Land zeigt eine klare Bereitschaft, sich in Richtung nationaler Aussöhnung zu bewegen“, verkündete etwa der malaysische UN-Sonderbotschafter für Birma, Razali Ismail.

Seitdem aber liegt der politische Dialog auf Eis. Erst kürzlich beschuldigte Suu Kyi die Militärs, von Anfang an keine Reformen gewollt zu haben. Die Freilassung der NLD-Führerin war rückblickend nur eine öffentlichkeitswirksame Geste. Die Junta erhoffte sich eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen und setzte darauf, dass das weltweite Interesse am Schicksal der Oppositionsführerin erlahmen würde, sobald der Anschein von Liberalisierung erweckt war. Vergeblich hoffte Suu Kyi auf Gespräche über die politische Zukunft des Landes. Die Militärs ließen sie ebenso abblitzen wie den UN-Sonderbotschafter.

Die jetzige Freilassung Salai Tun Thans und anderer Inhaftierter kommt exakt zu einer Zeit, in der die USA und die EU wegen des ausbleibenden politischen Dialogs die Wirtschaftssanktionen gegen die Junta verschärfen wollen. Auch sitzen noch 1.200 politische Gefangene in Birmas Gefängnissen. Zwar erhielten Vertreter der Menschenrechtsorganisation amnesty international zu Jahresbeginn erstmals eine Einreiseerlaubnis und Zugang zu Gefängnissen. Aber schon kurz nach der amnesty-Visite ließ die Junta zwölf Aktivisten der NLD und des Schan-Volkes verhaften. Und nachdem der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Birma, Paulo Pinheiro, im März bei einem Gespräch mit einem Gefangenen eine Abhörwanze im Raum fand, musste er sofort das Land verlassen.

Für Kritiker lässt das Verhalten der Junta nur einen Schluss zu: Die Militärs scheinen über ihr Vorgehen zerstritten. Während Birmas oberster Führer, General Than Shwe, überzeugt sei, dass die Junta mit Suu Kyis Freilassung der Pflicht genügt habe, seien andere Militärs um Geheimdienstchef Khin Nyunt der Ansicht, dass ihre Zeit langsam ablaufe. „Viele von ihnen wissen, dass dieser tote Punkt in den politischen Beziehungen irgendwann auf sie selbst zurückfällt“, zitierte die Bangkok Post kürzlich einen westlichen Diplomaten in Rangun. Ein Putsch erscheint derzeit zwar wenig wahrscheinlich, doch könnten die Unstimmigkeiten zwischen Armee und Militärgeheimdienst eines Tages dazu führen, so die Hoffnung, dass die Junta ihre Blockadepolitik gegenüber der Opposition überdenkt. NICOLA GLASS