Segel für die Sögestraße

Auf der Suche nach seinen Bremer Spuren: Star-Architekt Frei Otto in der Bürgerschaft

Architektur zieht zurzeit in Bremen. Das musste Bürgerschaftspräsident Christian Weber in seinem Grußwort feststellen. Restlos ausverkauft war der Festsaal des Parlamentsgebäudes beim Vortrag des Star-Baumeisters Frei Otto.

Weber erschien das als Beleg für das gewachsene Interesse der Bürger an der Gestalt ihrer Stadt. Auch die Diskussion um den geplanten Stadthallenumbau erwähnte er in diesem Zusammenhang. Natürlich kam Otto ebenfalls nicht umhin, auf dieses heiße Thema anzuspielen, ohne sich allzu aufdringlich in die inneren Angelegenheiten seiner Gastgeber einzumischen.

Otto nämlich ist in doppelter Hinsichtvon dem Disput betroffen: Einerseits war er mit der Diskussion um einen Umbau des Münchner Olympiastadions – das charakteristische Zeltdach trägt seine Handschrift – Teil einer ähnlichen Auseinandersetzung. Außerdem hätte er beinahe selbst gemeinsammit seinen Bremer Kollegen Carsten Schröck und Hans Budde die Stadthalle gebaut: Beim Wettbewerb 1957 erlangten die drei den zweiten Platz. Die Juroren hatten dieBaubarkeit ihrer gewagten Konstruktion bezweifelt.

Eingeladen hatte den Architekten Daniel Schreiber, der die Ausstellung des Paula Modersohn-Becker Museums zur Architektur des Expressionismus kuratiert hat. Dass Otto trotz anfänglicher Skepsis annahm, mag auch daran liegen, dass Bremen ein wichtiger Ort in seiner Werkentwicklung war. Der Besuch sei für ihn auch „eine Spurensuche“, bekannte der 78-Jährige. Man mag es kaum glauben, aber fürdie in architektonischen Dingen als konservativ geltenden Hansestadt hat der innovative Architekt sieben Entwürfe gefertigt. Zwei davon wurden sogar realisiert: 1963 die Kirche der Lukas-Gemeinde in Grolland und acht Jahre später das Haus der Bonhoeffer-Gemeinde in Huchting. Beide Sakralbauten entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Bremer Carsten Schröck. Zu den nicht gebauten Vorhaben gehören neben der Stadthalle ein Musikpavillon in den Wallanlagen und eine Überdeckung der Sögestraße mit leichten Segeln.

Das spektakulärste Projekt war zweifellos das 1961 vorgestellte so genannte Hafendach. Eine grandiose Hülle von 390 Metern Breite und 1500 Metern Länge sollte das Neustädter Hafenbecken inklusive Kräne und Schuppen überspannen. Es wäre das größte Dach der Welt geworden. Bei diesem Projekt kooperierte Otto wieder mit Budde und Schröck .

Einige Kritiker betrachten es als Schwachpunkt in Ottos Werk, dass er fast immer mit Kollegen kooperiere und man nie so richtig wisse, ob der Bau ihm oder dem Partner zuzuschreiben sei. Solche eitlen Erwägungen scheinen Otto nicht zu tangieren.

Sein zentrales Konzept besteht in einer Fortschreibung der Moderne mit auf Natur und Landschaft bezogenen Mitteln. Er selbst bezeichnete das in seinem Vortrag als „Gedankenmodell Grüne Moderne“.

Eberhard Syring