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: SILKE BURMESTER über James Bond, Bilderbuchverleger und andere Chauvinisten

Nuckeln am Mont Blanc

Wenn Eltern nicht weiter wissen, dann sagen sie Sätze, die mit „Wenn“ beginnen und in deren Mitte ein „dann“ steht. Wenn die Kinder etwas gewieft sind, entgegnen sie, das sei Erpressung. „Das ist keine Erpressung“, erläutern die Erwachsenen ihr erzieherisches Konzept, ohne erklären zu können, was es statt dessen ist.

Wenn Sie nicht den Zusammenschluss von Tagesspiegel und Berliner Zeitung untersagen, dann hätte dies „zwingend zur Folge, dass Axel Springer die Welt einstellen müsste“, erklärte vor einigen Wochen Springer-Vorstand Dr. Mathias Döpfner seinem Wirtschaftsminister – und stellte sich damit sein verlegerisches Armutszeugnis aus: keine Vision, kein Wissen-wo-es-langgeht. Statt dessen die infantile Eingeschnapptheit eines Hilflosen. Als sei es Aufgabe der Politik, für den Erhalt defizitärer Blätter zu sorgen – kann doch Clement nichts dafür, wenn Döpfner, der schon Wochen- und Hamburger Morgenpost gegen die Wand fuhr, nicht weiß, wie man Zeitung macht.

Wenn jemand Großes stirbt, wie Rudof Augstein im letzten Jahr, oder sich bedeutende mediale Ereignisse jähren, wie die Entlarvung der Hitler-Tagebücher im Februar, gibt es Dokumentationen im Fernsehen, die Beeindruckendes zeigen: Verleger oder Chefredakteure, die eine Horde sie anhimmelnder, oft dennoch kritischer Mitarbeiter um sich vereinen. Damals traf man sich auf Jachten oder in innovativ gestylten Büros, rauchte bis zum Erbrechen und war bereits um 16 Uhr so duhn, dass man schon um 12 Uhr den Wagen hätte stehen lassen müssen. Nur vereinzelt waren Frauen zu gegen – Ehefrauen, Geliebte, Sekretärinnen –, die durften lachen, wenn einer von den Wichtigen einen Witz gerissen hatte, nachschenken und Häppchen reichen. Und mitten drin, in dem lässigen Ambiente der 60er ein Henry Nannen, ein Rudolf Augstein oder ein Axel Springer. Männer, die sich in jungen Jahren in einer medialen James-Bond-Kulisse zu inszenieren wussten, als hätten sie geahnt, dass Politik einmal Pop werden würde.

Nach heutigen Gesichtspunkten sind diese Herren nicht besonders sympathisch. Sie waren bilderbuchhafte Chauvis, die an ihren Zigarren nuckelten, wie die Frauen an ihrem Mont Blanc in der Mittagspause. Männer, die die freie mediale Fläche zum Spielfeld ihrer Gesellschafts- und Politikordnung machten und die Regel einführten, dass das andere Geschlecht dann als abbildbar gilt, wenn es nichts anhat.

Diese Männer waren nicht pc. Aber sie wussten, was sie wollten. Sie hatten eine Vision und sie hatten Charisma. Sie waren Persönlichkeiten. Keine Etat verwaltenden Knödelpupser, die über die Lage jammern, statt ihre Ideenlosigkeit als Ausgang des Niedergangs zu begreifen. Vielleicht ist die Lösung der medialen Krise ganz einfach: Vielleicht sollten die Magazine und Zeitungen dieses Landes mal wieder von Leuten gemacht werden, die etwas zu sagen haben. Von Menschen, die bereit sind, für die Wahrheit ins Gefängnis zu gehen, oder so naiv sind, anzunehmen, die Welt würde ein Stück fairer werden, wenn sie selbst mal ein Staatsoberhaupt aufsuchen. Vielleicht von irgendwelchen lustigen Irren. Vielleicht von mir.

Auf jeden Fall aber nicht länger von Leuten, die ihre Sätze mit „Wenn – dann“ beginnen.