Lange gerechnet

Bildungsbehörde legt Erhebung zu Lehrerarbeitszeit vor: Angeblich müssen demnach lediglich 46 Prozent der Lehrer länger arbeiten. Also jeder Zweite

„Ich hoffe, dass die Horrormeldungen jetzt nachlassen“: Rudolf Lange

von KAIJA KUTTER

Gestern Mittag haben Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) und Schulaufsichtsleiter Norbert Rosenboom die mit Spannung erwarteten Zahlen zur tatsächlichen künftigen Arbeitsbelastung der Hamburger Lehrer vorgelegt. Ihr Fazit: 27 Prozent der Lehrer werden weniger unterrichten und 27 Prozent genau so viel wie bisher. Die übrigen 46 Prozent müssten mehr unterrichten, davon 33 Prozent ein bis zwei Stunden und zehn Prozent „drei Stunden und mehr“.

Enttäuschend dünn ist die Basis dieser Erhebung. Es wurden lediglich die Daten von den elf der 430 Schulen abgefragt, die bereits nach den neuen Kriterien die künftige Arbeitszeit ihrer Lehrer berechnet haben. Das sind nicht mal 2,6 Prozent. Die Namen der Schulen nannte Rosenboom nicht, nur dass es sich um drei Grundschulen, drei Sonderschulen, drei Gymnasien und zwei Gesamtschulen handle.

Die Rückmeldungen aus einer Haupt- und Realschule seien nicht ganz vollständig gewesen, trotzdem rechnet Rosenboom damit, dass die Lehrer dieser Schulform sogar zu 90 Prozent „genau so viel oder weniger“ unterrichten müssen. Gesamtschulen, Gymnasien und Sonderschulen lägen im Durchschnitt der Datenerhebung, heißt es weiter. Die eindeutigen Verlierer sind offenbar auch bei der Behördenrechnung die Grundschulen. Hier müssen 42 Prozent mit einer, 14 Prozent gar mit zwei Stunden mehr rechnen. 39 Prozent unterrichteten weniger oder genausoviel wie bisher.

Die Zahlen seien zwar „nicht ganz repräsentativ“, so Lange, „aber doch aussagefähig“. Er hoffe, dass die Horrormeldungen aus den Schulen, dass Klassenreisen und „all die anderen schöne Dinge an Schulen“ nicht mehr möglich seien, nun nachließen.

Die anlässlich der Elternproteste kurzfristig anberaumte Pressekonferenz war schlecht vorbereitet. So geht keine der Rechnungen auf 100 Prozent auf, auch kannte die Behördenspitze nicht denAnteil von Teilzeitkräften in ihrer Erhebung. Dies ist aber von Bedeutung, um das Ausmaß von Mehrarbeit zu bewerten. An Grundschulen beispielsweise arbeiten über 60 Prozent auf Teilzeit. Auch wurde nicht klar, in welchem Umfang die Lehrer künftig mit „Funktionsstunden“ betraut werden.

Ferner wurde die für alle ab August verbindliche wöchentliche Vertretungsstunde nicht mitgerechnet. Hier verkündete Lange mehr Spielraum für Schulleiter. Diese könnten ihren Kollegen Vertretungsstunden erlassen, wenn alle gesund sind.

Die bei der Vorstellung anwesenden Lehrerverbände vermuten weitere Haken bei diesen Zahlen. „Das war eine Sandmännchenveranstaltung, um Kritikern Sand in die Augen zu streuen“, sagt Arno Becker vom Deutschen Lehrerverband. „Dies widerspricht allen Rückmeldungen, die die Personalräte bisher aus den Schulen bekommen haben“, erklärt auch GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm. Beide gehen davon aus, dass jeder Lehrer im Schnitt zwei Wochenstunden mehr arbeiten muss, weil dies dem Volumen von knapp 1000 Stellen entspricht, die bis 2005 fehlen. Andernfalls, so Wilhelm, „könnte der Unterricht gar nicht abgedeckt werden oder Lange müsste Stellen zaubern“.