F. Ludin versus A. Schwarzer

Eine Dickschädel-Traumkombination: Die Lehrerin mit dem Kopftuch bezichtigt die Feministin der Verleumdung. Weder habe sie mit der islamistischen Milli Görüș zu tun, noch habe Schwarzer sie interviewt, erklärt Ludin in einem Brief, der der taz vorliegt

von HEIDE OESTREICH

Fereshta Ludin, das ist die Lehrerin mit dem Kopftuch. So ein Kopftuch scheint zunächst eine Frau zu kennzeichnen, die sich unterordnet. Frau Ludin ist alles andere als das, so viel ist klar. Frau Ludin zog für das Recht, im Klassenraum ein Kopftuch zu tragen, bis vor das Verfassungsgericht. Unter dem Kopftuch sitzt auf jeden Fall ein Dickschädel.

Alice Schwarzer, Herausgeberin der feministischen Zeitschrift Emma, vermutet unter dem Kopftuch noch viel mehr. Eine gefährliche politische Gesinnung sei dort verborgen. „Denn die angeblich so ‚naive‘ Ludin befindet sich bei näherem Hinsehen durchaus in politischen Zusammenhängen“, schrieb Schwarzer etwa im Spiegel. Sie arbeite mittlerweile am Berliner „Islam-Kolleg“, das laut Gerichtsentscheid als Tarnorganisation von Milli Görüș bezeichnet werden dürfe, die „bis zum 11. September 2001 noch offen mit der Scharia und einem Gottesstaat sympathisierten“, so Schwarzer.

Zudem zitiert sie Ludin mit den Worten, deutsche Frauen seien „unrein“ und nur muslimische „rein“. Vor diesem Hintergrund erstaune es, dass das Verfassungsgericht das „Motiv Glauben“ bei Frau Ludin so bereitwillig voraussetze. Es sei vielmehr Zeit, „Schluss zu machen mit der gönnerhaften Pseudotoleranz“.

Das lässt eine Fereshta Ludin nicht auf sich sitzen. In einem offenen Brief an Alice Schwarzer, der der taz vorliegt, schreibt sie, dass „die Behauptungen der Frau Schwarzer, die mich in Verbindung mit der vom Verfassungsschutz stark beobachteten türkischen Organisation Milli Görüș bringen und als deren ‚Aktivistin‘ darstellen, schlicht und ergreifend unwahr sind“.

Es sei falsch zu behaupten, „dass ich mit dieser Organisation sympathisiere oder gar ihre Meinungen teile“, so Ludin weiter. „Mir ist auch nicht bekannt, dass die staatlich anerkannte Grundschule Berlin, an der ich zurzeit arbeite, in Verbindung zu Milli Görüș steht.“ Auch der Satz von den unreinen Deutschen und den reinen Muslimas werde ihr „von der Emma seit mehreren Jahren untergeschoben“. Er habe „nie meinen Vorstellungen und auch nicht meinem Sprachgebrauch“ entsprochen.

Ludin bestreitet auch, jemals mit Alice Schwarzer gesprochen zu haben – entgegen Schwarzers Angaben. Vielmehr habe eine Emma-Journalistin unter falschem Namen und der Angabe einer falschen Zeitung bei ihr angerufen und sie mit Fragen bedrängt. Sie habe ein Interview abgelehnt. Ihre Äußerungen habe sie später in einem Emma-Artikel wiedergefunden – und nun erneut im Spiegel. Schwarzer interpretierte Ludins Weigerung, sich zum politischen Islam zu äußern, darin als Sympathisieren mit demselben.

Alice Schwarzer ficht das überhaupt nicht an: Frau Ludin könne ihr gerne persönlich einen Brief schreiben, ließ sie der taz ausrichten. Sie habe alles gesagt, was zu sagen sei.

Ludin und Schwarzer – ein Traumpaar, zumindest in Sachen Sturheit. Frau Ludin hat sich in die Nähe von Islamisten gebracht, indem sie an die Islamische Grundschule ging. Dass sie von deren Nähe zu Milli Görüș nichts wisse, kann man ihr nicht mehr abnehmen. Denn das wurde sie mittlerweile so oft gefragt, dass sie sich doch einmal hätte erkundigen können. Andererseits: Wo sollte Frau Ludin arbeiten, nachdem sie es nicht in Baden-Württemberg darf? Viele Möglichkeiten bleiben nicht.

Eberhard Seidel, Geschäftsführer der Organisation „Schule ohne Rassismus“ und Autor mehrerer Pubikationen über den politischen Islam in Deutschland, beurteilt den Fall zurückhaltend: „Es gilt für Frau Ludin natürlich die Unschuldsvermutung. Es liegen, soweit mir bekannt ist, keine Erkenntnisse vor, dass sie Mitglied oder Aktivistin von Milli Görüș ist.“ Auch könnten „nicht alle LehrerInnen der Islamischen Grundschule mit Milli Görüș in einen Topf geworfen werden“. Allerdings sieht auch Seidel zwei Interessen zusammentreffen: „Ihr Kampf ist kongruent mit dem Kampf von Milli Görüș, die Elemente der Scharia in Deutschland durchsetzen will.“ Ob das auch das Verfassungsgericht interessiert?