Wenn ein Löwe hinter dir her ist

„Die Champions“, ein Dokumentarfilm von Christoph Hübner, schildert den Alltag von vier jungen Fußballern

Der Dokumentarfilm „Die Champions“ von Christoph Hübner erzählt von jungen Fußballern aus der Talentschmiede des ehemaligen Champions-League-Gewinners Borussia Dortmund und wurde in Dortmund, der Türkei, Spanien, USA, Chile und Ghana gedreht.

Es beginnt 1998, in dem Jahr, als die A-Jugend von Borussia Dortmund zum fünften Mal hintereinander Deutscher Jugend-Fußballmeister wurde. Berichtet wird von vier Spielern aus dieser Mannschaft, die drei Jahre lang beobachtet wurden. In der Schule, beim Autokauf sowie bei den Eltern, aber doch vor allem im Jugendhaus des Vereins, in der Umkleide und auf dem Platz, wo die Wahrheit angeblich zu finden ist. Die Wahrheit lässt sich beziffern – eins zu null, zwei zu eins oder darin, dass dieser oder jener Spieler mehr Zweikämpfe gewonnen als verloren, entscheidende Pässe geschlagen, ein Tor geschossen, nicht die Nerven verloren hat.

Kamen früher viele Fußballhelden aus dem Proletariat, so sind es nun vor allem Emigrantenjugendliche, die ihrem Traum, einmal Bundesligaprofi zu werden, alles unterordnen.

Die Spieler, die Hübner und Voss ausgewählt haben, repräsentieren Typen: Heiko Hesse ist der Vernünftige; einer, der weiterdenkt als „Schule, Fußball, Ende“. Er hat eine thailändische Mutter und interessiert sich für Aktien. Mohammed Abdulai, ein ausgeglichen wirkender Muslim, wurde in Ghana von Talentspähern des BVB entdeckt. Er repräsentiert den sympathisch-fröhlichen Schwarzen und wird wohl hoffentlich zumindest in der zweiten Liga erfolgreich sein. Claudio Chavarria verließ mit 13 sein Elternhaus, um in Santiago de Chile dem runden Leder hinterherzujagen, kam mit 17 nach Dortmund und sprach weder Deutsch noch Englisch, als er mit der Mannschaft auf Japantour ging. Er ist der interessanteste Charakter des Films: quasi die launische Diva, der kapriziöse Techniker, der daran scheitert – wenn man's denn so nennen will – , dass er sich nicht unterordnen kann. Am Anfang ist er ein Star, später fällt er ohne rechten Grund auf dem Platz um, am Ende wird er nach einem Frustfoul aus dem Trainingszentrum gejagt. Nur für Francis Bugri erfüllte sich kurzzeitig der Traum vom Spielen in der Profimannschaft. Dann wurde das talentierte Eigengewächs, wie man so sagt, aber von dem für 25 Millionen eingekauften Tomas Rosicky verdrängt.

Der fast zweistündige Dokumentarfilm versucht diese drei Jahre im Leben der jungen Männer abzubilden, verzichtet auf jeden Kommentar und damit auch auf eine eigene Position. Das mag für die Sache erforderlich gewesen sein – wer über die jungen Spieler eines Proficlubs berichtet, ist zur Komplizenschaft gezwungen –, stört aber doch etwas. Besonders, wenn der mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Regisseur die Allerweltsmetapher über seinen Film stellt, wonach Fußball wie das Leben sei. Für den Profifußball hat sie wenig Sinn: Es wäre ja ganz furchtbar, wenn das Leben nur aus Wettbewerb, Sieg und Niederlage, zweifelhaft-aktivistisch-zielorientierten Träumen und dem Kampf um gesellschaftliche Anerkennung bestände.

Irgendwann sagt einer: „Wenn man 100 Prozent gibt, reicht das nicht. Man muss immer mehr geben. Man muss sich sagen: Heute gebe ich 130 Prozent! Wenn ein Löwe hinter einem herläuft, kann man auch schneller laufen, dann gibt man auch nicht nur 100 Prozent, ich glaube, dann gibt man 150. So muss man das sehen.“ Klingt ganz schön trostlos, wenn man sich als Spieler unter Todesangst setzen muss, um wirklich gut zu werden, vielleicht. DETLEF KUHLBRODT

„Die Champions“. Regie: Christoph Hübner. Deutschland 1998–2003, 129 Min.