Ein Regierungsrat für den Irak

In Bagdad konstituiert sich ein ernanntes Übergangsgremium, das die Regierungsgeschäfte übernehmen soll. Schiiten und Exilorganisationen haben die Mehrheit. US-Verwalter Bremer kann gegen Entscheidungen ein Veto einlegen, will es aber nicht

BAGDAD/BERLIN afp/rtr/taz ■ Es war die erste Amtshandlung des neuen irakischen „Regierenden Rats“: Gestern bei ihrer konstituierenden Sitzung erklärten die 25 Mitglieder des neuen Gremiums den 9. April, den Tag der Entmachtung Saddam Husseins, zum Nationalfeiertag. Alle Feiertage, die von der ehemals herrschenden Baath-Partei eingeführt worden waren, sollen wieder abgeschafft werden.

Als wichtigste Ziele bezeichnete der Rat in einer ersten Erklärung, die Sicherheit herzustellen, die Wirtschaft wiederzubeleben, eine neue Verfassung auf den Weg zu bringen und Wahlen vorzubereiten. „Wir erleben heute Geschichte, wie Geschichte gemacht wird“, sagte Entifadh Kanbar, Sprecher des Irakischen Nationalkongresses, der Vertreter in dem Rat sitzen hat.

Der Rat soll die Minister der geplanten Übergangsregierung nominieren, den Staatshaushalt verabschieden und geplante Gesetze prüfen. Die US-Zivilverwaltung, die die Mitglieder des Rates ernannte, kann dessen Beschlüsse allerdings wieder außer Kraft setzen. US-Verwalter Paul Bremer hat angekündigt, von diesem Recht nicht Gebrauch machen zu wollen.

„Die Einsetzung des Regierungsrats bedeutet, dass Iraker eine zentralere Rolle in der Führung ihres Landes spielen“, sagte Bremer in Bagdad. Von den 25 Mitgliedern des Rates vertreten 13 die schiitische Bevölkerung, die mit einem Anteil von 65 Prozent die Mehrheit im Land stellt und unter Saddam unterdrückt wurde. Je fünf Vertreter sitzen für die Sunniten und Kurden in dem Gremium, je einer für Christen und Turkmenen. Nur drei Mitglieder des Rates sind Frauen.

In den vergangenen zwei Monaten hatte es ein heftiges Tauziehen um die Zusammesetzung des Rates gegeben. So hatten Vertreter der Schiiten entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil eine Mehrheit der Sitze gefordert. Letzte Woche bestanden sie auf der Entfernung von drei Personen, denen sie Verbindungen zum alten Regime vorwarfen. Auch die Exilorganisationen betrieben eine eifrige Lobbyarbeit für ihr Anliegen, ebenfalls die Mehrheit im Rat zu stellen. Ihre Begründung: Da unter Saddam Hussein politische Friedhofsruhe im Lande herrschte, seien sie die Einzigen mit politischer Erfahrung. Letztlich setzten sich beide Gruppen durch, obwohl die US-Verwaltung zunächst ein anderes Modell favorisiert hatte.

Für die Besatzungsmacht wurde die Einrichtung des Gremiums vor dem Hintergrund täglicher Angriffe und einer breiten Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Widrigkeiten des Alltags immer wichtiger. Die Hoffnung ist, dass die US-Verwaltung etwas aus der Schusslinie gerät, wenn die Verantwortung in Teilen an Iraker übergeht. So wurde der Rat auch mit mehr Kompetenzen ausgestattet als zunächst geplant. Das macht sich schon am Namen fest. Das ursprüglich vorgesehene Adjektiv „beratend“ wurde stillschweigend fallen gelassen. B.S.