DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT ALTERT – DOCH DAS IST KEIN SCHICKSAL
: Frankreich macht’s besser

Noch vor 50 Jahren galt das Kinderkriegen als Schicksal. Erst mit der Pille schien eine rationale Familienplanung möglich. Das „wirtschaftlich-demografische Paradox“ entstand: Je besser Paare situiert sind, umso größer sind die wirtschaftlichen und biografischen Einbußen, die mit Kindern verbunden sind. Auch deshalb bleibt heute jede dritte jüngere Frau dauerhaft kinderlos.

Entscheidungen für oder gegen Kinder sind eine private Angelegenheit. Aber sie haben soziale und wirtschaftliche Folgen. Zu Recht weist die Deutsche Bank darauf hin, dass die Alterung der Gesellschaft und der Bevölkerungsrückgang als dauerhafte Investitions- und Wachstumsbremsen wirken. Schon in wenigen Jahren wird es einen Mangel an jungen, gut ausgebildeten Arbeitskräften bei gleichzeitiger Massenarbeitslosigkeit geben. Ab 2025 tritt die Eigendynamik des Bevölkerungsrückgangs hinzu. Weniger Bevölkerung aber heißt weniger Nachfrage. Die in einer alternden Gesellschaft unbestreitbar höheren Sozialausgaben können dann nicht einfach – wie auch manche Linke glauben – aus Produktivitätsfortschritten erwirtschaftet werden.

Deshalb sind heute neue Weichenstellungen erforderlich: Der Verzicht aufs Kinderkriegen ist kein unabänderliches Schicksal, sondern von politisch gestaltbaren Rahmenbedingungen abhängig. Schon eine Steigerung der Geburtenrate auf das Niveau Frankreichs könnte in Kombination mit Zuwanderung den mittelfristig erwarteten Rückgang der Erwerbspersonenzahl abschwächen, der sonst in einen Kollaps beispielsweise der gesetzlichen Alterssicherung mündet. Anders als in Frankreich hat Bevölkerungspolitik hierzulande aber eine unheilvolle Tradition und suggeriert Staatsräson, Mutterkreuz und „Frauen zurück an den Herd“. Doch die Beispiele Frankreichs und Skandinaviens mit mehr außerhäuslicher Kinderbetreuung und einer stärkeren finanziellen Förderung von Eltern belegen, dass eine dezidierte Geburtenförderungspolitik durchaus vereinbar ist mit mehr Erwerbsarbeitschancen für Frauen und mit mehr Zeit und Zuwendung für Kinder. HARRY KUNZ