Die Schrottplatzgenträger

Jugend liest: Der Schwede Mikael Engström und der Amerikaner Jerry Spinelli haben mit „Brando“ und „Crash. Das Leben ist Football“ richtig tolle Jungsbücher geschrieben

Warum haben Jungs bloß so tolle Namen, während Mädchen als „Gabi“ oder „Geli“ durchs Leben laufen müssen? Namen, die nach Mut, Heldentum und Freiheit riechen; die nicht einfach mit der Geburt in den Schoß gelegt, sondern im Laufe einer ruhmreichen Kindheit verliehen wurden. Brando! Crash! Das ist nicht einfach nur ein Name, sondern eine Krone, ein Orden, ein Schutzschild! Wer Brando heißt, spielt schon mal auf einem verbotenen Schrottplatz im Cockpit einer ausrangierten DC3 den Bombenabwurf auf Hiroshima nach. Und natürlich spielt er auch Fußball. Oder Football, wenn er Crash heißt und in Amerika wohnt.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Jungs bleiben Jungs, da können noch so viele Frauen an ihnen herumerziehen. Mindestens fünfzehn Jahre sind die Ärmsten von ihnen umzingelt, von Müttern, Lehrerinnen und Erzieherinnen. Es hilft aber alles nichts. Jungs oder doch die meisten von ihnen haben so etwas wie ein Kicker-Gen oder ein Schrottplatz-Gen, jedenfalls etwas latent Unangepasstes und Nichtsesshaftes. Wenn Kinderbuchautoren das akzeptieren statt zu diskutieren, können sie tolle Jungsbücher schreiben.

Das Stärkste in diesem Genre seit langem kommt von dem Schweden Mikael Engström: Kein Kickerbuch ist das, aber eines, in dem das Kicken und das Gewinnenwollen eine gewisse Rolle spielen. Jungs, Fußball, Bandenkrieg, Aufwachsen in einem „sozialen Brennpunkt“, also zwischen Mietskasernen, Alkis und Essenfassen beim nächsten Imbiss. So viele Klischees auf einmal, doch wenn es noch eines Beweises bedarf, dass es keine Klischeethemen, sondern nur klischeehafte Darstellungen gibt – mit „Brando“ wird er geliefert.

Denn der Ersttäter Engström kriegt in seinem Debüt irgendwie alles hin: Action und Kampfspannung; kuriose, poetische Betrachtungen über das Weltall, das sich angeblich in einem Krapfen befindet, den man durch Wurmlöcher in der Zeit durchqueren kann; witzige Bemerkungen über nach Erdbeerkaugummi duftende Mädels; hinreißende Bilder, in denen schon mal die ganze Straße voller Orangen liegt.

Realistische Literatur ist das trotzdem, aber völlig ohne dieses säuerliche An-den-Fakten-Abarbeiten. So am Boden bleiben bei gleichzeitigem Schwebezustand, das können nur wenige. Zu diesen wenigen gehört auch Jerry Spinelli, dessen beneidenswerter Name übrigens kein Pseudonym, sondern angeheiratet ist. Seit seinem Roman „Stargirl“ ist Spinelli so etwas wie der König der Nonkonformisten, obwohl er ganz und gar kein Sozialromantiker ist. Was aber ist konformer als ein footballfanatischer Siebtklässler? Gegen die Zwänge solcher Jungsmythen hat Spinelli bereits in früheren Romanen eine praktische Allzweckwaffe entwickelt: den Großvatertyp. Der hat alle Machotechniken in seinem langen Leben selbst schon mal ausprobiert und weiß, was Crash umtreibt. Ein „Versteher“, wenn man so will, aber eben einer, der erst erleben musste, was er begreifen wollte.

Würde Mädchen das auch interessieren? Fußballerinnen kenne ich zwar etliche, auch solche mit echtem Ehrgeiz. Aber selbst beim Fußball leben Jungs und Mädchen in diesem Alter in so unterschiedlichen Welten, dass ich mir das nicht vorstellen kann. Aber Ausprobieren kostet ja nichts. ANGELIKA OHLAND

Mikael Engström: „Brando“. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Hanser Verlag, München, 2003. 256 S., 14,90 €; Jerry Spinelli: „Crash. Das Leben ist Football“. Aus dem Amerikanischen von Andreas Steinhöfel. Dressler Verlag, Hamburg, 2003. 192 S., 12 €