Die Jugend schützen, aber ohne Zensur

Die Internetwirtschaft will ihre Angebote selbst einstufen, um das Herausfiltern von Gewalt oder Sex zu ermöglichen

BERLIN taz ■ Zur Inhaltskontrolle von Internetseiten setzt der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) auf das international entwickelte Filter-System „Icra plus“. Diese Software arbeitet nicht mit der Einstufung der Internetseiten durch Dritte. Die Betreiber bewerten ihre Seiten vielmehr selbst. Das System wird bereits von einigen großen Internetfirmen unterstützt.

Der Verband hofft, dass Icra als erstes Filtersystem überhaupt nach den Vorgaben des Staatsvertrags über den Jugendschutz in den Medien anerkannt wird. Die Medienexpertin der grünen Bundestagsfraktion, Grietje Bettin, beurteilt das System als „sehr gut“. Es sei auf dem besten Weg, der „Jugendschutzstandard im Netz“ zu werden.

Das System soll Kinder vor schädigenden Inhalten schützen und gleichzeitig die Meinungsfreiheit bewahren. Dazu bewertet der Betreiber eines Web-Angebotes den Inhalt seiner Seite nach einem vorgegebenen Katalog, etwa im Hinblick auf Gewalt- und Sexdarstellungen oder obszöne Sprache. Diese Angaben werden in die Seite eingebaut. Der Internet-User kann die Seiten dann entsprechend der Selbstbewertungs-Kategorien filtern.

Der Vorteil dieser Methode liegt aus Sicht von eco in ihrer großen Differenziertheit und dem Wegfall einer „externen Zensur“, wie sie viele andere Filtersysteme ausüben. Diese Softwareprodukte suchen häufig nur nach Stichwörtern wie „sex“ und sind nicht in der Lage, den Kontext der Seite zu analysieren. Für Thomas Rickert von eco sind solche Filter unbefriedigend. „Lassen wir nicht zu, dass Dritte entscheiden, was unsere Kinder sehen können“, bekräftigte er.

Allerdings muss diese Selbstbewertung für möglichst viele Internetseiten durchgeführt werden. Denn Seiten, die sich der Selbsteinschätzung entziehen, kann der Filter nicht bearbeiten. Der Verband verweist darauf, dass vordringlich geplant sei, sich „bei den seriösen Anbietern zu etablieren“, etwa bei T-Online. Deren Angebote würden am meisten nachgefragt. Damit die Surfer von dem Angebot erfahren, sollen in den nächsten Monaten Schulen und Elterninitiativen informiert werden.

Finanziert wird Icra von weltweit operierenden Unternehmen wie T-Online, Microsoft oder AOL. Auch die Europäische Union stellte in der Vergangenheit Mittel bereit. Der Verband der Internetwirtschaft vertritt nach eigenen Angaben 85 Prozent des deutschen Informationsaufkommens im Netz.

MAX HÄGLER