kucken se ma: Auf Bremens Leinwand
: „Aus heiterem Himmel“ per Taxi und Minimal-Regie in die Langeweile

Besonders heiter ist der Himmel nun wirklich nicht, aus dem heraus Marcía in diese Filmreise gezwungen wird. Die dicke Unterwäscheverkäuferin lebt depressiv und einsam in einem grauen Buenos Aires vor sich hin, und wenn ihr dann nach den ersten, quälend tristen, Filmminuten endlich ein Messer an die Kehle gesetzt wird, möchte man sie fast beglückwünschen: Endlich passiert ihr mal was!

Die beiden lesbischen Punkerinnen Mao und Lenin haben Marcía in ihrem Laden gesehen, Mao hat sich sofort in sie verguckt, und nachdem diese auf ihr ruppiges Liebeswerben ebenso missmutig wie auf alles andere reagiert haben, wird das Springmesser gezückt und das Objekt der Begierde entführt.

Spätestens jetzt müsste nicht nur in, sondern auch mit dem Film eigentlich etwas passieren. Der Trick mit dem Wechseln von Schwarzweiß in Farbe à la „The Wizard of Oz“ ist vielleicht schon etwas ausgeleiert, aber immer noch wirkungsvoll, und natürlich könnte man auch subtiler, etwa mit einem etwas beschwingteren Schnitt oder schlicht mehr Licht die Stimmung wechseln. Aber Regisseur Diego Lerman lässt die drei Ausreißerinnen in den gleichen diffusen Grautönen und immer etwas unscharfen Bildern durch die argentinische Provinz fahren.Viel Spaß hat keiner bei diesem Abenteuer: Mao und Lenin sind trotz ihrer rebellischen Attitüde genauso lethargisch wie Marcía, die sich schnell in die Rolle der Entführten fügt. Und der Zuschauer fährt halt mit in dem Taxi, das die drei gekapert haben, ohne dass dadurch der Film etwa an Tempo oder Spannung gewinnen würde. Erst im letzten Drittel von „tan de repente“ –so der Originaltitel des Films, der in der spanischen Originalfassung mit Untertiteln gezeigt wird – bekommt man zumindest eine Ahnung davon, worum es dem Regisseur Diego Lerman überhaupt geht.

Nachdem sie ziellos umhergereist sind, besuchen die drei Mädels Lenins Tante Blanca, und diese entpuppt sich als eine lebenslustige, Tango singende weise Greisin, in deren Nähe Marcía, Mao und Lenin langsam auftauen und einem ganz zum Schluss des Films fast sympathisch werden könnten.

Aber selbst diese Entwicklung kann Lerman nicht filmisch überzeugend umsetzen. Sein rigider Minimalismus wirkt seltsam antiquiert. Als sein großes Vorbild Jim Jarmusch in den 80er Jahren darauf verzichtete, mit der Kamera zu verführen, war dies ein radikaler Gegenentwurf zu den Hochglanzprodukten Hollywoods. Lerman tut nun so, als wäre solch ein Punk-Cinema ganz was Neues, aber dabei wirkt der Film leider ebenso dröge wie seine Protagonistinnen. Auch der schönste Tango von Tante Blanca kann da nicht mehr viel retten.

Wilfried Hippen

Läuft im Cinema, OmU