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: New Yorks Kunstszene begeistert sich für Fela Kuti

Funky President

Im Grunde unterscheidet sich die Wahrnehmung Afrikas in den USA nicht groß von der in Deutschland. In den USA gehört es zwar für jeden Präsidenten zum guten Ton, einmal pro Amtszeit eine Reise dorthin zu unternehmen. Sobald die Staatsbesuche aber vorbei sind und die Bilder im Kasten, verschwindet Afrika wieder unter dem medialen Wahrnehmungsradar. Der Kontinent ist weit weg, irgendwie geht es dort drunter und drüber, und eigentlich könnte es nicht schaden, wenn man mehr wüsste, nächstes Mal vielleicht.

Umso verwunderlicher, dass ausgerechnet eine Ausstellung, die sich dem vor sechs Jahren an den Folgen von Aids verstorbenen Afrobeat-Pionier Fela Kuti widmet, der Hit dieses New Yorker Sommers ist: „The Art and Legacy of Fela Kuti“ im New Museum of Contempory Art in SoHo. 1.500 Menschen drückten sich am Eröffnungsabend durch die Räume, in der New York Times erschienen gleich drei Artikel. Kuratiert von Trevor Schoonmaker werden Arbeiten von 34 Künstlerinnen und Künstlern aus Afrika, Europa und Amerika gezeigt, die sich mit dem Vermächtnis des selbst ernannten „Black President“ auseinander setzen.

In der schwarzen Musik wird Fela Kuti seit einiger Zeit neu entdeckt, mit dem vorläufigen Höhepunkt der Fela-Tribute-Platte „Red, Hot + Riot“ vom vergangenen Jahr, auf der die unterschiedlichsten Musiker Stücke des Meisters coverten – angefangen beim Free-Jazz-Saxofonisten Archie Shepp über den Discoproduzenten Nile Rodgers bis zu dem Rapper Common. Doch über diesen Kreis von Berufskollegen hinaus hielt sich sein Bekanntheitsgrad in den USA bisher in Grenzen.

Erstaunlicherweise – war Fela Kuti doch genauso der politische Aktivist, der die Machenschaften der multinationalen Konzerne geißelte, die verschiedenen nigerianischen Diktatoren seiner Zeit kritisierte und dafür mehrfach ins Gefängnis geworfen wurde. War er doch auch der Sektengründer, der seinen eigenen Ministaat Kalakutta Republic mitten in Lagos gründete, mit dem Shrine einen sagenumwobenen Nachtclub betrieb, in dem er Abend für Abend auftrat und auf dessen Bühne er 1979 in einer großen Zeremonie seine 27 Tänzerinnen ehelichte, die so genannten „Queens“. War er doch ikonentauglich wie sonst nur Che Guevara oder Bob Marley, und macht es doch gerade aus amerikanischer Perspektive und aus Sicht eines an postkolonialer Theorie geschulten Denkens einen nicht geringen Teil seiner Faszination aus, dass er seine Identität als afrikanischer Revolutionär nicht etwa in Afrika entdeckte, sondern in den USA.

1937 geboren, entstammte Fela Kuti der schmalen Schicht der nigerianischen Intelligenzija. Seine Mutter war eine bekannte Frauenrechtlerin, mit dem Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka war er verwandt. Seine Ausbildung erhielt er am Londoner Trinity College of Music. Es war die Begegnung mit den Black Panther im kalifornischen Oakland 1969, die ihn dazu führte, sich als Afrikaner zu begreifen. Genauso wie es der Funk von James Brown war, der ihn inspirierte, den Afrobeat zu entwickeln, diese ganz eigene Mischung aus Yoruba-Rhythmen und Funkbeats, Jazz-instrumentierung und afrikanischen Gesängen.

Diese Feinheiten der transkontinentalen Identitätspolitik muss man sich in der New Yorker Ausstellung allerdings selbst dazudenken. Hier wird lieber etwas gröber gekünstlert: Gut die Hälfte der ausgestellten Kunstwerke widmet sich dem Kampf gegen Ausbeutung und Kolonialismus. Ein Thema von universeller Gültigkeit, warum also nicht auch in einer Fela-Kuti-Ausstellung? Da gibt es eine Schubkarre von Odili Donald, die in einer Öllache steht und auf der dicke Bündel nigerianischen Geldes lagern. Oder eine traditionelle Yoruba-Figur, die Kendell Geers in ein rot-weißes Plastikband mit dem Chevron-Logo eingewickelt hat.

Die interessanteren, weil widersprüchlicheren Ausstellungsobjekte widmen sich jedoch Felas Frauen. Etwa das einigermaßen rätselhafte Kunstwerk „Lady Na Master“ von Yinka Shonibare, das aus 27 kopflosen Puppen besteht, die in traditionelle Gewänder gekleidet sind. Für jede der Queens eine. Als ob diese Kopflosigkeit nicht verwirrend genug wäre, heißt es im Begleittext, „Lady Na Master“ versuche, die Massenheirat als „profeministisches Statement“ darzustellen. Eine Frauenskulpur von Sokari Douglas Camp trägt den Schriftzug „AIDS“ auf der Stirn und öffnet mechanisch ihre Beine.

Tatsächlich fragt man sich, was aus all den wunderschönen Gefolgsleuten von Fela geworden sein mag, die auf einer Fotowand zu bewundern sind. Die Musiker sind in alle Welt zerstreut, doch die Frauen? Eine kann man in der Videoinstallation „The Dialectic of Jubilation: Afro-Funk Lessons“ von Senam Okudzeto bewundern, wo sie versucht, einer Gruppe Schweizer Tanzbegeisterter beizubringen, wie man im funky Lagos seinen Hintern bewegt.

Und genau hier, in den Bildern von gar nicht einmal so unbeholfenen Beckenbewegungen weißer Mitteleuropäer, findet sich der Museumsbesucher selbst wieder. Ohne das Sicherheitsnetz der kritischen Auseinandersetzung mit den großen und bösen Ismen der Gegenwart. Als Neugieriger und als Umschlagsort all der Körpereffekte, die diese Ismen mit sich bringen. TOBIAS RAPP