„Mal sehen, was uns noch einfällt“

Im Bereich Wissenschaft und Geschichte hat sich das ZDF bis in die Primetime erfolgreich nach vorn gearbeitet. Dafür sieht es in Sachen Unterhaltung, junge Zielgruppen und am Nachmittag weiterhin ziemlich müde aus – was nun, Herr Bellut?

Interview STEFFEN GRIMBERG

taz: Herr Bellut, Sie haben Ihren Job als Programmdirektor kürzlich mit dem Satz: „Das Leben ist eine Baustelle“ umrissen. Wo sind denn beim ZDF die tiefsten Löcher?

Thomas Bellut: Tiefste Baustelle ist zurzeit der Nachmittag. Da müssen wir nächstes Jahr mit einer neuen Serie und generell neuen Strukturen versuchen, wieder Boden gutzumachen. Seit der Absetzung von „Streit um Drei“ sind wir alles andere als zufrieden.

„Reich und schön“, der Ersatz am Nachmittag, macht also weder reich noch schön?

Die neu gestartete Serie „Reich und schön“ hat noch nicht den Erfolg, den sie braucht, und wir denken über Alternativen nach.

In welche Richtung? Zurück zur „alten“ ZDF-Kundschaft, oder weiter Richtung der von Intendant Markus Schächter und Ihnen proklamierten Verjüngung des Programms?

Ganz eindeutig Verjüngung. Nur über solche Serien – ob das jetzt eine Soap oder eine Telenovela ist – kann man einen solchen Prozess einleiten.

Was? Daily Soap im ZDF?

Ja. Wir werden im nächsten Herbst als erster Sender in Deutschland mit einer täglichen, deutschen Telenovela starten.

So was Schmonzettiges wie „Die Sklavin Isaura“ etwa?

Nein, natürlich nicht. Wir werden eine eigene Ansprache finden, das kann man nicht einfach kopieren. Eine Telenovela ist eben eine zu Ende erzählte Geschichte, mit einem Spannungsbogen, der über 160 Folgen reicht. Da läuft im Moment ein spannender Wettbewerb zwischen zwei Produktionsfirmen, den wir bis Ende September entscheiden wollen.

Sind Sie eigentlich sehr enttäuscht, dass Ihre bisherigen Verjüngungs-Leuchttürme wie „Bravo TV“ oder die „Schöneberger-Show“ allenfalls höchst mildes Licht ausstrahlen?

Die „Schöneberger-Show“ haben wir ja nicht fortgesetzt – und werden wir auf dem Termin auch ganz sicher nicht wieder tun. Ich möchte trotzdem mit Frau Schöneberger etwas Neues machen, da sind wir zurzeit in Gesprächen. Und: Klar, „Bravo TV“ hat bisher keineswegs den nötigen Erfolg gebracht, allerdings braucht man bei solchen Formaten auch einen langen Atem.

Haben Sie mit „Bravo TV“ nicht in Wahrheit auf einen lahmen Gaul gesetzt? Das Heft läuft ja auch nicht mehr so wie früher …

Ich glaube nicht. Wir haben ja vor allem den Namen gewollt, und der zieht nach wie vor. Außerdem haben wir auch das Know-How gekauft, das sich in der Sendung positiv niederschlägt. Die zentrale Frage ist ja eher, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein Jugendmagazin in den Nachmittag hineinzuschlagen, ohne das nötige Umfeld zu haben.

Wie erklären Sie so ein Programm denn dem klassischen ZDF-Publikum?

Wir machen einfach da weiter, wo wir schon angefangen haben: Am Dienstagabend, da gibt es schon diese humoristische Farbe, beim „Kleinen Mönch“ oder den „Rosenheim-Cops“. Wir können es uns aber nicht leisten, ausschließlich auf ein jüngeres Publikum zu setzen. Wir wollen eindeutig das breite Publikum.

Für dieses „breite“ Publikum kommt ja auch Carmen Nebel von der ARD …

Und damit die zweite große Samstagabendshow neben „Wetten, dass …?“. Wir starten Anfang nächsten Jahres. Für sie ist natürlich der quantitative Erfolg ganz wichtig, und wir werden ales tun, dass das bei uns noch besser wird.

Passt das zur Verjüngung? Das klingt doch mehr nach Zweifrontenkrieg.

Wenn jemand wie Carmen Nebel sechs bis sieben Millionen Zuschauer versammelt, dann brauch ich nicht mehr auf die Altersstruktur zu gucken. Da sind dann auch so viele Jüngere dabei, dass man hochzufrieden sein kann. Die Masse ist letztendlich immer noch ein ganz entscheidendes Kriterium für uns.

Ende September läuft „Der Fürst und das Mädchen“ mit Maximilian Schell – noch so ein Bringer für junge Zielgruppen.

Diese klassischen Gefühlsstoffe – siehe Rosamunde Pilcher – sind nach wie vor attraktiv. Und was ist die Alternative? Ich kann doch nicht alles mit Krimis bespielen oder mit Rateshows. Dieser Bereich der gefühligen Geschichte ist nach wie vor existent. Es kommt nur darauf an, wie man es macht. „Der Fürst und das Mädchen“ hat allein durch Machart und Besetzung gute Chancen auf junge Zuschauer. Und bei der Rosamunde Pilcher haben wir mittlerweile so viele Zuschauer, dass auch dort ein Verjüngungseffekt der Gesamtquote da ist.

Apropos viele Zuschauer: Thomas Gottschalk soll ja demnächst häufiger als bisher zu sehen sein …

Ist doch klar, dass wir mit einem Star dieses Formats mehr machen wollen. Das zielt auf große Events. 2004 gibt es eine große Show zu 50 Jahre Rock and Roll. Mal sehen, was uns noch einfällt.

Und das, obwohl der ZDF-Intendant zu Sommeranfang mit düsteren Prognosen zitiert wurde, der Sender sei „bilanziell überschuldet“, wenn die Gebührenerhöhung ausbliebe?

Das war nicht dramatisch gemeint, sondern einfach eine Zustandsbeschreibung. Wir haben ja einen rigorosen Sparkurs eingeschlagen. Und wenn es keine Gebührenerhöhung gibt, hat das natürlich Folgen. Welche, muss man dann sehen. Ich halte nicht viel davon, im Vorfeld zu spekulieren. Außerdem gibt es ja noch die gute ZDF-Regel: Zu Gebührenfragen äußert sich nur der Intendant.

Wirkt sich so eine Zustandsbeschreibung nicht als ziemliche Kreativitätsbremse aus?

Ich bitte Sie – natürlich kann ich nur für meine Zeit sprechen. Aber es vergeht doch kein Monat, wo wir nicht etwas Neues versuchen. Nehmen Sie „Wie fit ist Deutschland?“. Nehmen Sie die tägliche Serie „Reich und schön“ am Nachmittag: Das sind riskante Versuche, aber ich bin fest entschlossen, in diesem Bereich weiterzumachen. Bis ich das Richtige gefunden habe. Und was ist mit der „Ostalgie-Show“? Nach der haben Sie noch gar nicht gefragt.

Sollte man da nicht besser schweigen? Das war doch arg flach.

Die „Ostalgie-Show“ war nicht so oberflächlich, wie Ihre Frage unterstellt: Wir hatten ja Gespräche mit ausgebürgerten Schauspielern. Oder unserem früheren DDR-Korrespondenten Michael Schmitz, der ganz klar die Zeit charakterisiert hat. Ich glaube, die Frage geht viel tiefer: darf man sich mit der DDR-Geschichte beschäftigen, ohne ständig auf das Unrechtssystem hinzuweisen? Die Show war ja überhaupt eine Idee junger Ex-DDR-Bürger: Die haben in Mainz die Redaktion gebildet. Ich kann da nichts Schändliches finden.

Zahlreiche andere Ex-DDR-Bürger sehen das anders.

Dass Menschen, die persönlich in der DDR gelitten haben, eine solche Show nicht akzeptieren können, verstehe ich. Deshalb werden wir das in dieser Form auch nicht mehr machen.