unter den einäugigen ist der blinde könig von RALF SOTSCHECK
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Wenn man denkt, dass die britische Labour Party längst am rechten Ziel angekommen ist, legt sie noch gröberen Unfug nach. Innenminister David Blunkett will nun eine ganze Altersgruppe zu Kriminellen stempeln: Jugendliche unter 16, die aneinander sexuelle Handlungen vornehmen, sollen für fünf Jahre ins Gefängnis. Blunkett will „jegliche Aktivitäten, die ein vernünftiger Mensch als sexuell einstufen könnte“, unter Strafe stellen. Wer ist dieser vernünftige Mensch? Blunkett sicherlich nicht.

Eine zu innige Umarmung, ein zu langer Kuss, eine zu intime Berührung sind für ihn Straftaten. Dabei ist es ihm egal, ob ein 15-Jähriger oder ein 50- Jähriger daran beteiligt ist. Sind beide Partner unter 16, haben sie sich eben gegenseitig missbraucht und sollen in den Knast. Sind sie sogar unter 12, müssen sie mit bis zu 14 Jahren Gefängnis rechnen – und ihre Eltern ebenfalls, wenn sie den strafbaren Zungenkuss nicht verhindert haben. Am besten verabreichen sie ihren Sprösslingen lusthemmende Pharmazeutika, sobald die Kleinen laufen können. Dreimal täglich eine kalte Dusche kann auch nicht schaden.

Blunkett, der auch bei den Tories der Rechtsaußen wäre, möchte gern der erste blinde Premierminister Großbritanniens werden. An politischer Blindheit hat es britischen Premiers freilich noch nie gemangelt, doch Blunkett ist eine Knalltüte der besonderen Art. Offenbar kennt er die staatlichen Untersuchungen nicht: Sie haben ergeben, dass Mädchen im Durchschnitt mit 14 und Jungen mit 13 Jahren erste sexuelle Erfahrungen machen. Mit 15 haben sie zum ersten Mal Geschlechtsverkehr. Laut Blunkett, der zumindest laut Ausweis in den „swinging sixties“ jung war, müssen das alles Vergewaltigungen sein. Er findet, dass Jugendliche unter 16 gar nicht in der Lage sind, sexuellen Handlungen zuzustimmen.

Wenn es nach Blunkett geht, wächst demnächst eine Generation von Neurotikern in Großbritannien heran, die bis zum 17. Geburtstag ständig mit einem Bein im Knast steht.

Mit zwei anderen Gesetzesinitiativen ist der puritanische Politiker bereits gescheitert: Er wollte Sex unter freiem Himmel verbieten, musste aber einen Rückzieher machen, als man ihn darauf hinwies, dass darunter auch der eigene Garten fallen würde. Das Gesetz gegen Nacktheit im Freien wurde nach Protesten der FKK-Gemeinde ebenfalls auf Eis gelegt. Und seine glänzende Idee, Briefkastentanten zu Verbrecherinnen zu machen, indem er verbieten wollte, sexuelle Dinge mit Jugendlichen zu diskutieren, stieß auch nicht auf Begeisterung.

Der Innenminister habe nicht die Absicht, Teenager zu kriminalisieren, wiegelt seine Sprecherin ab. Die Initiative sei gegen Pädophile gerichtet. Blunkett behauptet, es sei unmöglich, Gesetze zu verabschieden, die zwischen einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Minderjährigen und Missbrauch Minderjähriger durch Erwachsene unterscheiden. Wenn der Innenminister das nicht unterscheiden kann, ist er blinder als bisher angenommen und sollte seinen Hut nehmen.