Körting will drüber reden

Nach langem Hin und Her ging er doch: Innensenator Körting versuchte im „Kulturverein Brücke 7“ mit rechten Jugendlichen zu diskutieren. Diese kontern mit Parolen. Antifa protestiert vor der Tür

von FELIX LEE

Äußerlich sehen die Jugendlichen im Veranstaltungsraum nicht anders aus als ihre protestierenden Altersgenossen der Treptower Antifa, die vor dem „Kulturverein Brücke 7 e. V.“ stehen. Gefärbte Haare, Ohrringe, der eine trägt ein Basecap und der andere eine HipHop-Hose. Und kahl geschorene Haare finden sich längst auch unter Anhängern der linken Szene. Nur im Detail lassen sich Unterschiede erkennen: Der eine hat eine Kampfrune als Anhänger um den Hals, der andere ein Kapuzenshirt der Marke Pitbull.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting schreckte das Outfit offenbar nicht ab. Kurzfristig zog er seine Absage zurück und erschien zur Podiumsdiskussion, zu der der Vereinsvorsitzende der Brücke 7, Claus Bubolz, am Mittwochabend eingeladen hatte. Im Schlepptau: vier Bodyguards. Körting hatte noch am Vortag seine Teilnahme abgesagt mit der Begründung: Es seien Prügeleien zwischen Antifa-Gruppen und NPD-Anhängern zu erwarten. „Jetzt ist es eine Veranstaltung, da sind halt ältere und junge Leute mit unterschiedlichen Auffassungen“, rechtfertigt Körting den Hickhack um seine Teilnahme. Er wolle persönlich dazu beitragen, gefährdete Jugendliche von der rechtsextremen Szene abzubringen. „Wie viel rechts und links verträgt unsere Demokratie?“, war demnach die Frage der Diskussion, die genauso hätte lauten können: Wie viel rechts und links verträgt der Kulturverein Brücke 7 e. V.? Geht es nach Bubolz: Sehr viel. Er ist stolz darauf, dass sein Projekt in der Treptower Brückenstraße 7 der einzige Verein der Stadt sei, „wo linke Jugendliche mit Che-Guevara-T-Shirts und nationalistische Jugendliche mit Glatzen und Schnürstiefeln gewaltfrei unter einem Dach debattieren“.

Die Betonung liegt auf „nationalistisch“. Denn von der Beschreibung „rechts gerichtet“ oder gar „rechtsradikal“ möchte er nichts wissen. Einige seiner Pappenheimer seien zwar stolz darauf, deutsch zu sein. Für Bubolz sind sie damit aber noch lange nicht rechtsradikal. Auch dann nicht, wenn sie den Innensenator mit Parolen wie „das Boot ist voll“ und Ausländer seien „alle kriminell“ und „Sozialschmarotzer“ konfrontieren.

Körting hält sich im Gespräch wacker. Und sein Mitdiskutant, der CDU-Vertreter von Treptow-Köpenick im Abgeordnetenhaus, Carsten Wilke, ebenfalls. Sie zitieren aus Statistiken, die beweisen, dass Ausländer den Deutschen keineswegs Arbeitsplätze wegnehmen. Die meisten Jobs, die Ausländer ausführten, würden viele Deutsche nach wie vor nicht übernehmen wollen. Und auch die Ausländerkriminalität sei nicht wesentlich höher als die Kriminalität bei Deutschen.

Die meisten der Jugendlichen hören dem Innensenator zu, einige pfeifen ihn aus. Einer verlässt den Raum mit demonstrativ erhobenem Arm. „In der Demokratie sind Meinungen frei“, sagt Körting nach der Veranstaltung. Für ihn sei die Grenze erst dann überschritten, wenn Volksverhetzung betrieben oder Gewalt propagiert werde.

Das sehen die rund 20 Antifas draußen vor dem Eingang anders. Der Eintritt zur Veranstaltung wurde ihnen verwehrt. Abgeschirmt von rund einem Dutzend Polizisten stehen sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite und protestieren lautstark gegen die Veranstaltung. Aus ihrer Sicht hat der Verein Brücke 7 schon lange die Toleranzgrenze überschritten. Faschismus und Fremdenhass seien keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Bereits vor einem halben Jahr stand der Kulturverein mit seinem Konzept unter Beschuss. Damals hatten Antifa-Gruppen unter anderem deshalb gegen den Verein protestiert, weil bei einer Veranstaltung die beiden führenden Berliner NPD-Funktionäre Jörg Hähnel und René Bethage anwesend waren. Damit heimste sich Bubolz den Vorwurf ein, der Verein sei inzwischen selbst rechtsradikal unterwandert. Dies weist Bubolz von sich.

In der Tat: Im Kuratorium des Vereins sitzen keinesfalls rechtslastige Funktionäre, sondern honorige Größen wie der Literaturnobelpreisträger Günter Grass und Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Schütz. Ein Mann von der Antifa, der sich als Silvio Kurz ausgibt, hält an seiner Kritik fest: Gespräche mit NPD-Funktionären und Kadern der rechtsextremen Szene brächten nichts. Im Gegenteil: Damit treibe man Neonazis nur mehr Kameraden in die Arme.