Revolte, gescheitert

Vom Ende her angesehen: Stuart Hagmans Film „Blutige Erdbeeren“ über die kalifornische Studentenrevolte 1968

Schwindel erregende Kreisfahrten, hektische Zooms und immer wieder Zäune und Gitter, durch die die Kamera sichere Distanz zu den Ereignissen hält: Stuart Hagmans Blutige Erdbeeren erzählt von einer Universitätsbesetzung im San Francisco von 1968 aus der Perspektive des braven Jünglings Simon, der sich immer mehr von seinem reaktionären Ruderclub in Richtung der protestierenden Studenten und der politisch etwas geschulteren Linda bewegt.

Vielleicht hilft die Einnahme von bewusstseinserweiternden Substanzen, um all die filmischen Techniken zu genießen, ein Zusammenhang mit dem Gezeigten dürfte sich aber selbst dann nicht einstellen. Ähnliches gilt für den Soundtrack: Songs von Crosby, Stills, Nash & Young, „Also sprach Zarathustra“, „Give Peace a Chance“ und Joni Mitchells „Circle Game“ schweben über Besetzern wie wohlwollenden Universitätsmitarbeitern.

Eigentlich muss man diesen Film von seinem Ende her ansehen. Nicht allein, weil bei der furios choreographierten gewaltsamen Räumung der Uni durch die Polizei ästhetische Mittel und Gegenstand endlich zusammenkommen und die Kamera Position bezieht. Sondern auch, weil der Film von Anfang an darauf zusteuert. Klar, jeder Film läuft auf ein Ende hinaus, aber nicht jeder, der auf eine Bewegung zurückblickt, schließt auch mit ihrer Zerschlagung. Hagman und sein Drehbuchautor Israel Horowitz hatten Blutige Erdbeeren schon 1969 fertig gestellt, ähnlich schnell war nur Arthur Penn mit Alice‘s Restaurant. Vielleicht verdanken beide Filme ihre oft kritisierte holprige Dramaturgie dieser zeitlichen Nähe zum Gegenstand.

Ende der 60er waren sich viele einig, die Revolte sei als gescheitert anzusehen, aber über die Gründe ließ sich trefflich streiten. Penn richtet seinen resignierten Blick auf innere Widersprüche der Bewegung. Horowitz und Hagmann machen in ihrem Film das harte Zugreifen der staatlichen Organe verantwortlich. Das Davor schildern sie als harmloses, bisweilen unbeholfenes Politisieren friedlicher junger Leute, die den Amerikanischen Traum ein bisschen mit Che und Mao aufpeppen wollen.

Inzwischen liegen so viele Deutungsschichten auf den Ereignissen, dass man diese Statements getrost als mögliche unter vielen – allesamt bis heute umstrittenen – Erzählungen ansehen kann. Wenn einige der Besetzer schließlich den knüppelnden Bullen selbst eins überziehen, blitzt in all der Resignation sogar etwas von der Wut auf, der Antonioni ein weiteres Jahr später mit Zabriskie Point ihre wohl schönsten Bilder gegeben hat.

JANA BABENDERERDE

heute bis Dienstag, 20 Uhr, 3001-Kino (Schanzenstr. 75), Hamburg; 7.10., 20.15 + 22.30 Uhr, Lagerhalle (Rolandsmauer 26), Osnabrück; 13.10., 20 Uhr, Burgtheater (Theaterplatz 1), Ratzeburg