Sag mir, wo die Blumen sind

Homosexualität im Film war lange Zeit ein Topos der sexuellen Verirrung und ein Quell der Einsamkeit. Inzwischen hat sich das Themenspektrum dankenswerter Weise deutlich erweitert. Heute starten in Hamburg die Lesbisch Schwulen Filmtage

Geld gibt es wenig. Die Kultursenatorin lobt „das große Maß an ehrenamtlichem Engagement“Lesbischwules Leben im Film 1989: „mit Dildos bewaffnete sadistische Krankenschwestern“

von Doro Wiese

Hamburg, vier Uhr morgens, eine private Geburtstagsparty. „Ich weiß nicht, wo die Nachtbar ist“, beteuert eine der Gäste verzweifelt. „Schwör es!“, fordert ihr Gegenüber. Erst die Hand auf dem Herzen kann sie von der Unwissenheit der Gefragten überzeugen. Nichtsdestotrotz bleibt ein Restzweifel: „Wohnst du nicht mit X zusammen? Hat sie nichts durchsickern lassen?“

X, deren Name hier verschwiegen werden soll, ist eine der OrganisatorInnen der Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg und als solche eine potenzielle Geheimnisträgerin. Denn der Ort der Nachtbar wird erst heute offiziell bekannt gegeben. Wenn sich die ZuschauerInnen über Lisa Politt amüsieren und den Musicalfilm Ja Schwester, nein Schwester goutieren, werden andernorts Getränkekisten geschleppt und der letzte Nippes an den Wänden angebracht. Dann ist die vorübergehende Wahlheimat für LesBiSchwule, trans-, hetero- und polygeschlechtliche Filmbegeisterte und Feierwütige auf den Ansturm vorbereitet.

Mehr als 10.000 BesucherInnen konnte das Festival im letzten Jahr verzeichnen – eine Erfolgsbilanz. Dass es stattfinden kann, ist vor allem dem Engagement der Filmtagecrew zu verdanken. 51 Programme werden vom 14. bis zum 19. Oktober in den Hamburger Kinos Metropolis, Cinemaxx, b-movie und Passage gezeigt. Dabei wird das Festival in nur geringem Maß von der Kulturbehörde gefördert. 18.000 Euro erhalten die Filmtage aus öffentlichen Mitteln – das ist ein 37stel der Fördergelder des Hamburger Filmfestes, das diesjährig mit 29.000 BesucherInnen aufwarten konnte. Kein Wunder also, dass Hamburgs Kultursenatorin Dana Horáková (parteilos) in ihrem Grußwort schreibt, die Filmtage würden durch „das große Maß des freiwilligen, ehrenamtlichen Einsatzes“ überzeugen.

Dabei ist gerade in den 90er Jahren weltweit ein starkes Anwachsen homo- und transsexueller Themen und ihrer filmischen Umsetzung zu verzeichnen. Noch 1989 konnte eine studentische Arbeitsgruppe – deren Videofilm Keine Chance für die Liebe den Auftakt für die Filmtage bildete – vor allem „Knabeninternate“, „Expertenrunden“, „mit Dildos bewaffnete sadistische Krankenschwestern“ und „Frauenduschen“ als Orte und Themen lesbischwulen Lebens ausmachen. Stereotyp wurden Homosexuelle in Filmen als IrrgängerInnen dargestellt, deren sexuelle Verwirrungen zu einem Quell der Einsamkeit wurden und nicht selten in den Suizid führten. Ausnahmen waren rar und erlangten oftmals Kultstatus, wie beispielsweise Entre Nous (1983), dem diesjährigen Wunschfilm, der die Beziehung zwischen zwei Frauen im Nachkriegsfrankreich zeigt. Auch die nun aufgeführten Filme Some of my best friends are ..., The Boy in the Band und Just the two of us können als Beispiele einer positiveren Bezugsnahme der 70er Jahre angesehen werden.

Weil diese seltenen Identifikationsangebote dem homosexuellen Publikum nicht reichten, entwickelte man andere Formen der Aneignung. Queer gelesen wurden auch solche Filme, in denen Homosexualität in Männer- und Frauenfreundschaften, Cross Dressing, durch Besetzung oder Accessoires angedeutet wurde – so beispielsweise in Howard Hawks A Girl in Every Port von 1928.

Wer sich für aktuelle Produktionen interessiert, ist bei den Filmtagen ebenfalls bestens aufgehoben. Ob Krimi, Beziehungsklamotte, Vergangenheitsbewältigung, Flüchtlingsgeschichte – die Themen sind weit gestreut und international vertreten. Letzteres ist besonders erfreulich, da neben Liberalala-Toleranz auch offene Homo- oder Transphobie überall auf der Welt zu finden sind. Mutig daher, wenn LesBiSchwule und Transgenders in Dokumentationen vor die Kamera treten – sei es die lesbische Lastwagenfahrerin aus Indien (Miss Manju Truck Driver) oder Schwule aus der schwäbischen Provinz (Ich kenn keinen – Allein unter Heteros). Doch auch Herz und Schmerz werden serviert, wie beispielsweise in der BBC-Verfilmung des Erfolgsromans Tipping The Velvet. Es ist ratsam, sich für Veranstaltungen Karten zu reservieren, da die Vorstellungen teilweise Tage zuvor ausverkauft sind.

Eröffnungsveranstaltung heute, 19.30 Uhr, im Kino Passage 1 in Hamburg. Das komplette Programm findet sich unter www.lsf-hamburg.de.