Duell der Systeme

Der Evergreen im internationalen Baseball ist das Aufeinandertreffen der Mannschaften von Kuba und den USA. Bei der Weltmeisterschaft in Havanna hoffen nicht nur Kubaner auf ein solches Finale

von KNUT HENKEL

Für Michel Enríquez, den Kapitän der kubanischen Baseball-Nationalmannschaft, ist die Titelverteidigung ausgemachte Sache. „Wir haben eine junge Mannschaft, die nur ein Interesse hat: das Gold zu gewinnen“, sagt der 23-Jährige. Der Mann aus Pinar del Río spielt an der Third Base, der Position, die sein ehemaliger Mannschaftskamerad Omar Linares in der Nationalmannschaft über zehn Jahre lang inne hatte. Doch die drei Lichtgestalten des kubanischen Baseball der Neunzigerjahre – Linares, Orestes Kindelán sowie Antonio Pacheco – haben sich aufs Altenteil in die japanische Liga zurückgezogen, wo sie ihre Rente in harten Devisen verdienen.

Für sie nachgerückt sind junge, hungrige Spieler. Spieler wie Enríquez oder Yorelvis Charles im Infield, der erst 21-jährige Pitcher Ifreidi Coss oder der Benjamin des Teams, Yulieski Gourriel, gerade mal 19 Jahre alt. Die Equipe cubano ist mit einem Durchschnittsalter von knapp 26 Jahren die jüngste bei der laufenden WM – und ihr größter Fan ist Kubas maximo líder Fidel Castro. Große Stücke hält Castro, früher selbst ein ausgezeichneter Werfer der lederummantelten Korkkugel, vor allem auf Maels Rodríguez. Doch der 23-jährige Pitcher, der das US-Team im letzten Oktober bei einem Turnier in Monterrey mit seinen variantenreichen Würfen zur Verzweiflung brachte und den Turniersieg fast im Alleingang sicherte, ist bei der WM im eigenen Land nicht mit von der Partie. Eine Verletzung macht die Teilnahme jenes Spielers, der in den Notizbüchern zahlreicher US-amerikanischer Talentscouts steht, unmöglich. Auch Yoval Dueñas und Bárbaro Cañizares, zwei weitere Ausnahmekönner im kubanischen Team, fehlen auf der Setzliste – aus disziplinarischen Gründen, wie die Zeitung des kubanischen Sportinstituts Jit lakonisch vermeldet hat.

Doch für die Mannschaft von Trainer Higinio Vélez ist selbst das kein Beinbruch, denn auch die kubanischen Ersatzspieler würden anderswo mit Kusshand genommen werden. Eine exzellente Ausbildung von klein auf ist der Schlüssel zur kubanischen Baseballdominanz. Dem nationalen Talentsichtungssystem entgehen jedenfalls nur wenige Kids mit Potenzial, der Rest wird systematisch aufgebaut. So erklären sich die Erfolge der Baseball-Großmacht Kuba, die immer wieder durch herausragende Athleten zu überraschen weiß.

Den Peloteros, den Baseballcracks, liegt die ganze Nation zu Füßen. Kubaner sind béisbol-verrückt, und im Parque Central in Havanna wird nahezu zu jeder Tageszeit über den Sport Numero Uno der Insel diskutiert. Diese Liebe von Nation und maximo líder zahlt sich mittlerweile auch finanziell für Enríquez und Co. aus. Die Spieler reisen während der nationalen Liga mittlerweile in modernen Reisebussen, übernachten in First Class Hotels – und auch die Löhne wurden verdoppelt. Richtig lukrativ sind für die Peloteros jedoch die Auslandsreisen, wo harte Dollarprämien zwischen eintausend und fünftausend US-Dollar winken. Nicht viel im Vergleich zum Salär eines durchschnittlichen amerikanischen Mayor-League-Spielers, aber für kubanische Verhältnisse doch eine stolze Summe, die das Leben auf der vom Mangel geprägten Insel erleichtert.

Partien gegen die Profis aus den USA sind für die Kubaner somit eine doppelte Herausforderung. Zum einen lässt sich so das eigene Spielniveau im Duell mit den Profis überprüfen, zum anderen kommt so der eine oder andere Kontakt zur Mayor League zustande. Die ist unvermindert der Maßstab im internationalen Baseball – und ein Traum für nahezu jeden pelotero von der Insel. Rund 50 Kubaner drehten in den letzten zehn Jahren der Insel den Rücken, um bei den Mets, den Marlins oder den New York Yankees anzuheuern. Unter ihnen befindet sich auch José Ariel Contreras, der Weihnachten letzten Jahres einen 32-Millionen-US-Dollar-Vertrag über vier Jahre unterzeichnete.

Das kubanische Pitcheridol ist bei den Yankees untergekommen. Gleich zwei seiner ehemaligen Teamkollegen bei Pinar del Río, Pedro Luis Lazo und Yoval Dueñas, wird nachgesagt, dass sie den Kontakt zu dem 32-Jährigen gehalten haben. In Kuba wird so etwas schnell gleichgesetzt mit Abwanderungsgelüsten – und deshalb durften die beiden angeblich nicht an den Panamerikanischen Meisterschaften in der Dominikanischen Republik im August teilnehmen, zumindest kursiert dieses Gerücht unter den Baseballfans im Parque Central in Havanna.

Dort wird, nach dem guten Auftakt der kubanischen Equipe gegen Taiwan, das mit 6:3 bezwungen wurde, schon den nächsten Duellen entgegengefiebert. Südkorea ist der nächste Gegner, die Asiaten gehören mit Japan und den USA zum Favoritenkreis. Topkandidat für den Titel ist jedoch die kubanische Equipe, die immerhin 24 von 26 möglichen Titeln nach Havanna holte. Zusätzliche Motivation dürfte die Anwesenheit von Fidel Castro bringen, der Mitte der 40er-Jahre selbst einmal unter Beobachtung von Talentscouts stand. Die kamen im Auftrag der „Washington Senators“, um den Curveball Castros zu inspizieren. Der war allerdings nicht gut genug für die US-Liga.