Das Land, das keine Angst mehr macht

Internationalisiert für Deutschland: Maximilian Hecker und Barbara Morgenstern auf Welttour für das Goethe-Institut

Es ist noch nicht allzu lange her, da konnte man Maximilian Hecker Tag für Tag an der Hofeinfahrt der Hackeschen Höfe in Berlin-Mitte sehen. Dort stand er und sang mit einer etwas zu dünnen Stimme Lieder von Oasis. Bald darauf gelang es ihm ein Album herauszubringen, das ordentlich komponierte Songs präsentierte. Von seinem Label Kitty Yo wurde er zum tragischen Mädchenschwarm stilisiert.

Wie immer, wenn ein Slogan nur oft genug wiederholt wird, wurde er geglaubt und Hecker zum Mädchenschwarm. Er legte ein zweites Album vor und hat Erfolg. Auf Promofotos sieht man ihn in einem etwas schlecht sitzenden Anzug mit einer Rose. Das ist niedlich.

Barbara Morgenstern entstammt der so genannten Berliner Wohnzimmerpop-Szene. Die Organistin und Gitarristin macht sehr schöne Songs, und auf dem Promofoto sieht man die Haare der Dame verwuschelt, das Gesicht halb durch eine Kaffeetasse verdeckt. Auch das ist sehr hübsch. Vor allem aber ist es ungefährlich. Morgenstern wie Hecker sind zart, und sie vertreten eine Form des Pop, die nicht mit Glamour arbeitet, sondern, anders kann man es nicht nennen, authentisch-verspielt ist.

Schön, dachte sich das Goethe-Institut und hat beide, die noch nie gemeinsam aufgetreten sind, zusammengebracht. Die beiden, das Goethe-Institut sieht sie „am Anfang einer internationalen Karriere“, gehen nun auf eine vom Goethe-Institut organisierte Welttournee: Ankara, Bangkok, Tallinn, Buenos Aires, Chicago, Jakarta, Toronto, Johannesburg, Tel Aviv, Madrid, Taschkent, Peking, Sydney, Tokio oder Porto Alegre sind Orte, die sie unter anderem … – ja was? rocken? werden. Nein, sie rocken nicht, sie zärteln. Und das tun sie, ob sie es wollen oder nicht, für Deutschland.

Ähnlich wie die neuen Magazine, die in der Hauptstadt gerade gegründet werden, dann Deutsch oder Zoo heißen, jedoch kaum etwas Nationales oder Tierisches haben, sondern von MacherInnen produziert werden, die behaupten, dass sie lieber ausgehen als arbeiten, präsentiert das Goethe-Institut ein Deutschland, vor dem sich niemand mehr fürchten muss. Diese Leute aus Berlin, „aus einer Generation“, die „einen aktuellen Aspekt deutscher Popmusik“ (Goethe-Institut), ja deutschen Pop überhaupt präsentieren, sind dabei oft derart durchinternationalisiert, dass ihr gesprochenes Englisch nicht selten viel besser ist als ihr geschriebenes Deutsch.

So aber kann man eigentlich nicht für Deutschland werben. Die Jugend von Toronto wird sehen, dass mit Maximilian Hecker jemand auf der Bühne steht, in dessen Land es offenbar genauso öde ist wie in Kanada, die Jugend von Johannesburg wird sich fragen, ob in Deutschland Seele tatsächlich den Soul ersetzt.

Deutschland ist etwas ungefährlicher geworden, einen Krieg gegen die Nachbarstaaten wird es in absehbarer Zeit nicht führen und auch wirtschaftlich kann es allein nicht mehr bestehen. Zugleich sind tausende deutsche Soldaten im Ausland mit Kampfeinsätzen beschäftigt, und in der EU bestimmt Deutschland den antiamerikanischen Kurs maßgeblich mit.

Dass die VertreterInnen des neuen, normalen und liebewollenden Deutschland sich dafür interessieren, ist nicht anzunehmen. Mittels solcher Tourneen aber tragen sie zu einem Projekt bei, dessen Inhalt es ist, auch das Ausland vergessen zu machen, was eigentlich deutsch ist.

Dabei ist die Antwort in Sachen Pop allzu einfach: die deutsche Popwelt ist restlos britisch.

JÖRG SUNDERMEIER