„Raubbau an der Arbeitskraft“

GEW legt Umfrage zum Lehrerarbeitszeitmodell vor: 72 Prozent unterrichten mehr, am meisten die Gesamtschullehrer. Noch mehr Umfragen folgen

Nach der Bildungsbehörde hat gestern nun auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Umfrage zu den Folgen des Lehrerarbeitszeitmodells vorgelegt und kommt zu ganz anderen Werten. Demnach müssen 71,8 Prozent der Hamburger Lehrer seit dem 1. August mehr unterrichten und nur 28,2 Prozent gleich viel oder weniger. Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) hatte in der vergangenen Woche eine Umfrage vorgelegt, wonach lediglich 46 Prozent mehr und 54 Prozent weniger oder gleich viel unterrichten müssen, was seine These unterstreicht, dass das neue Modell die Belastung nur gerechter verteile.

„Das Arbeitszeitmodell ist weder gerecht noch transparent. Es wird hier Raubbau an der Arbeitskraft der Lehrer betrieben, um einen eklatanten Lehrermangel zu beheben“, erklärte gestern hingegen die GEW-Vorsitzende Stephanie Odenwald. Fakt sei, dass weniger Lehrer mehr Schüler unterrichten müssten. Die Umfrage der GEW sei „solide“ und „verlässlicher“ als die der Behörde. So hätten die GEW-Vertrauensleute die Fragebögen, von denen über 2.500 zurückkamen, in die Fächer aller Lehrer gelegt. Wie berichtet, hatte die Behördenumfrage, die sich auf 709 Vollzeitkräfte an 40 Schulen bezog, nicht alle Schulen erreicht. Offenbar hielten Teile der Behördenleitung die Vorgehensweise für unseriös.

Interessant an den GEW-Ergebnissen: Ausgerechnet die Gesamtschullehrer, von denen Lange mutmaßte, es ginge ihnen sehr gut, bilden mit 76,5 Prozent der mehr Unterrichtenden die Spitze. Im Schnitt unterrichten Vollzeitkräfte 1,8 und Teilzeitkräfte 1,1 Schulstunden pro Woche mehr. Deutlich darüber mit 3, 4, 5 oder mehr Stunden liegen beispielsweise 42 Prozent der Vollzeitkräfte an Gymnasien und 36 Prozent der an Gesamtschulen. Wirklich weniger unterrichten nur wenige. Hier bilden die Vollzeitkräfte an Gymnasien mit 12,7 Prozent die Spitze und die Teilzeit- und Vollzeitkräfte an GHR-Schulen mit 3,7 und 4,7 Prozent das Schlusslicht.

Aber auch die GEW-Umfrage hat Lücken. So beruhte sie auf Freiwilligkeit. Auch erhebt sie nicht die gesonderte Belastung von Grundschullehrern, die selbst in der Behördenumfrage am schlechtesten wegkamen. Der Umfrage sollen deshalb „qualitative Fallstudien“ folgen.

Auch sagen diese Zahlen nichts aus über die Folgen für den Schullalltag wie den Wegfall von Klassenreisen. Hierzu haben Eltern- und Schülerkammer Umfragen durchgeführt, die auf einem Forum am 10. November vorgestellt werden. KAIJA KUTTER