Pampers besser als Politiker

Uni-Kürzungen in Niedersachsen: Buxtehuder Studenten erkennen ihren Minister nicht, der Buhmann des Tages vergießt im Landtag Krokodilstränen. Die SPD bietet Zusammenarbeit beim Kürzen an. Vielleicht naht aber doch noch Rettung für die FH

„Nienburg hat anscheinend nur eine Schwäche: Es wohnt dort kein Minister.“

aus Hannover Kai Schöneberg

„Wer soll künftig Eure Villen bauen?“ und „Äntlich spaat ma jemant ahne Billdunck“ und „Pampers sind besser als Politiker – die halten, was sie versprechen“, stand auf den Plakaten, die die 100 Protestler aus der Fachhochschule Buxtehude gestern mit nach Hannover gebracht hatten, um gegen die drohende Schließung der dortigen FH mit ihren gut 600 Studenten zu demonstrieren. Leider kam es nicht zum direkten Schlagabtausch. Die trillerpfeifenden Studis erkannten nämlich den Buhmann des Tages, Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU), leider nicht, als der schnurstracks an ihnen vorbei marschierte, um im Landtag in einer Regierungserklärung die Kürzungen in Höhe von 50 Millionen Euro bis 2005 für die niedersächsischen Hochschulen zu verteidigen.

Das damit verbundene Dichtmachen der Fachhochschulen in Buxtehude und Nienburg sei für das Kabinett „die vielleicht schwierigste Entscheidung der Legislaturperiode“ gewesen, sagte Stratmann. Allerdings sei der Gebäudebestand in Nienburg marode, fünfzig Prozent der Absolventen – Bauingenieure und Architekten – an den FHs würden derzeit „in die Arbeitslosigkeit geschickt“. Auch bei der TU Clausthal (dort werden bis 2005 4,5 Millionen Euro gekürzt, 100 der 700 Stellen gestrichen) „mussten wir handeln“, betonte Stratmann. Bei den Geowissenschaften, der Geotechnik und dem Bergbau finanziere das Land zehnmal so viele Plätze wie es Studienanfänger gebe.

Auf das Angebot von SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel, die Hälfte der Kürzungen an anderer Stelle im Etat zu realisieren, ging Stratmann nur scheinbar ein. Damit werde er die Kreditaufnahme Niedersachsens „weiter reduzieren“. Außerdem kündigte der Minister Studiengebühren in Höhe von bis zu 500 Euro pro Semester an, wenn das Bundesverfassungsgericht das vom Bund dekretierte Verbot endlich aufhebe. Abschließend lobte Stratmann sich selbst – ausgerechnet mit einem Zitat von Alexander von Humboldt: „Ich habe einen manchen wunderbar scheinenden Mut.“

Unmutig hätte sich der Gründer der Berliner Universität wohl im Grabe umgedreht, wenn er gestern nach Hannover geschaut hätte. Stratmann sei ein „Totengräber Humboldts“, nahm die SPD-Hochschulexpertin Gabriele Andretta die Steilvorlage auf. Denn die Motivation für seine Kürzungen sei wenig objektiv. Clausthal müsse elf Prozent seines Etats einsparen, die TU Braunschweig 5,5 Prozent, Nienburg und Buxtehude sogar 100 Prozent. Nur die Uni Osnabrück, Heimat von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), käme mit 1,7 Prozent gut weg. Andretta: „Man könnte den Eindruck gewinnen, das Nienburg nur eine einzige Schwäche hat: Es wohnt dort kein Minister.“

Laut Hochschul-Ranking liegt Nienburg landesweit bei der Ausbildung von Bauingenieuren und Architekten auf Platz eins. „Warum“, fragte auch die grüne Hochschul-Expertin Gabriele Heinen-Kljajic, werde in Göttingen, „der Universität mit dem landesweit höchsten Renommee, überproportional gekürzt“, während weit weniger erfolgreiche Standorte wie Osnabrück und Oldenburg vergleichsweise glimpflich davonkommen?“ Und warum bleibe die „katastrophal“ bewertete katholische Hochschule in Vechta „weitgehend verschont?“

Dass noch nicht alle Uni-Messen gesungen sind, deutete CDU-Fraktionschef David McAllister an. Grundsätzlich stützte er die Sparpläne Stratmanns. Die Fraktion werde jedoch „die Argumente noch einmal sehr sorgfältig abwägen“. Vielleicht liegt das „Abwägen“ daran, dass inzwischen ein Angebot eines Unternehmers vorliegen soll, der die FH Buxtehude mit 1,2 Millionen Euro unterstützen will.