Die Gesetze der Menschlichkeit

Emotionale Debatte über die Abschiebepolitik des Rechts-Senats in der Bürgerschaft. Innensenator Nockemann verweigert die Gnade für die Schwestern Oppong. Kundgebung vor dem Rathaus für junge Mazedonierin

von SVEN-MICHAEL VEIT und EVA WEIKERT

Frank-Michael Bauer ist ein wahrhafter Vertreter der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: „Gesetze nehmen auf Menschlichkeit eben keine Rücksicht“, gab er die Linie der Koalition gestern in der Bürgerschaftsdebatte über die Hamburger Ausländerpolitik vor. Zeitgleich protestierten vor dem Rathaus Schüler der Fachschule für Sozialpädagogik gegen die drohende Abschiebung ihrer 23-jährigen Mitschülerin Latife Vaiti (siehe Kasten). Anlass der Debatte war der Fall der ghanaischen Schwestern Sylvia und Gifty Oppong (13 und 14 Jahre). Sie sollen nach Ghana ausgewiesen werden, obwohl ihre Mutter Dorothy legal in Hamburg lebt, die Mädchen aber ohne Visum vor zwei Jahren nachholte (taz berichtete mehrfach).

Auf Karl-Heinz Ehlers (CDU) können die Oppongs keinesfalls rechnen. Die Mutter habe „erst ihre Kinder im Stich gelassen und spekuliert jetzt auf den Sieg der Menschlichkeit über die Aktenlage“, so Ehlers: „Da habe ich kein Mitleid.“ Auch von Innensenator Dirk Nockemann (Schill) ist kaum Hilfe zu erwarten. Unter den Augen der Oppongs auf der Tribüne verweigerte Nockemann das erhoffte Signal. Wegen „illegaler Einreise ist die Wiederausreise zwingend“, so der Senator, „Präzedenzfälle“ seien seine Sache nicht.

Der Petitionsausschuss hatte mit der Koalitionsmehrheit den Senator aufgefordert, den Schwestern vorab eine Garantie zur Wiedereinreise zu geben. So sehr auch Leif Schrader (FDP) beteuerte, er sei sicher, dass der Innensenator dieser Bitte nachkomme, so sehr blieb Nockeman hart. „Die angeblich so unmenschlichen Aspekte“ inszeniere die Opposition „zur Diffamierung der Ausländerbehörde“, behauptete er lediglich.

Die SPD-Opposition warf dem Rechts-Senat vor, „Abschiebezahlen zu feiern“. Zugleich forderte sie den Innensenator auf, im Fall Oppong endlich Farbe zu bekennen. „Herr Nockemann, erklären Sie hier und heute, dass die Kinder bei ihrer Mutter bleiben können“, wandte sich der SPD-Abgeordnete Rolf Polle vergeblich an Nockemann. Bisher gäbe es nur „nebulöse“ Auskünfte darüber, ob die Schwestern nach der Abschiebung wieder einreisen dürften. In Richtung des Schill-Abgeordneten Bauer empörte sich Polle: „Es ist abenteuerlich zu sagen, Gesetze nähmen auf Menschen keine Rücksicht.“ So verfüge der Eingabenausschuss, der für die Abschiebung der Oppongs gestimmt hatte, über einen Ermessensspielraum und sei beauftragt, lediglich ein politisches Votum an den Senat abzugeben.

„Angst vor einer menschlichen Entscheidung“ diagnostizierte denn auch die GAL-Abgeordnete Antje Möller beim Innensenator. „Sie fürchten, einen Präzedenzfall zu schaffen und wollen nicht, dass die Ausländerpolitik ein menschliches Gesicht bekommt.“ Grünen-Fraktionschefin Christa Goetsch warf dem Rechts-Senat vor, mit populistischen Aussagen gegen Ausländer zu agieren: „Seit zwei Jahren gibt es in dieser Stadt überhaupt keine Migrationspolitik mehr.“

Den Vorwurf der Unmenschlichkeit wollte die Koalition nicht auf sich sitzen lassen und schickte Wolfhard Ploog (CDU) vor. Zum Fall Oppong sagte Ploog, man habe getan, „was möglich war“. Zugleich versicherte er: „Wir stehen zu unserer Entscheidung und haben kein schlechtes Gewissen.“